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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

21.05.06

"Ohne den 8. Mai 1945 hätten sich in diesem Land keine parlamentarisch demokratischen Strukturen entwickeln können"

Rede zum 8. Mai 2006 auf dem Norrenberger Friedhof in Wuppertal

von Jochen Vogler, Mitglied des Geschäftsführenden Landesausschusses der VVN-BdA NRW

Der 8. Mai ist in diesem Land kein Feiertag.

Ohne den 8. Mai 1945 hätten sich in diesem Land keine parlamentarisch demokratischen Strukturen entwickeln können. Die Bewertung dieses Datums als Befreiung von Faschismus und Krieg war politisch nicht gewollt. Gewollt waren Remilitarisierung und Westbindung im Kalten Krieg und Restauration der privatwirtschaftlichen Grundlagen für die Großindustrie. Und dies schaffte man mit erfahrenem Personal aus der Zeit des Hitler-Faschismus in Verwaltung, Justiz, Diplomatie und Militär. Damit wurde eine Entwicklung begünstigt, die heute Militäreinsätze in aller Welt und regelmäßige Naziaufmärsche vor dem Hintergrund gefestigter Organisationsstrukturen für diese Gesellschaft selbstverständlich erscheinen lassen.

Die Welt zu Gast bei Freunden – dieser unvollständige Satz als Botschaft für die WM gemeint, klingt wie eine anmaßende Beschwörung. Wir sind die Freunde für die Gäste aus aller Welt. Die Gäste von Freunden und die Freunde von Gästen werden insgesamt als Sicherheitsrisiko beurteilt, um schon mal unter vorsätzlicher Missachtung des Grundgesetzes die Bundeswehr als Hilfspolizei einsetzen zu können. Die Missachtung des Grundgesetzes ist schon lange politische Praxis in diesem Land, die kaum noch für gesellschaftliche Aufregung sorgt. Das Verbot des Angriffskrieges nach Art. 26 GG wurde mit der Beteiligung am Angriffskrieg der Nato gegen Jugoslawien gebrochen. Art. 139 des GG verbietet die NSDAP, mögliche Nachfolgeorganisationen und die entsprechende Ideologie. In Bochum war es den Nazis im letzten Jahr gerichtlich erlaubt, gegen den Bau einer Synagoge zu demonstrieren. In Dortmund bildet sich schon eine gefestigte Infrastruktur im Umfeld eines Ladens für Naziartikel. Zahlreiche Hinweise von verantwortlichen Politikern passen in das ideologische Bild der faschistischen Gruppierungen, Kameradschaften und Parteien. Und es nicht mehr zu unterscheiden, wer wessen Stichwortlieferant ist. Gäste sollen auch wieder gehen, damit die Freunde wieder unter sich bleiben können. Die Grenzen bleiben dicht. Wir sind nicht zuständig für die Armen und die Armut in der Welt. Es gibt genug damit zu tun, die Armut in diesem Land zu reglementieren. Es ist ja nicht so, als wären die Zusammenhänge von sozialer Unsicherheit und gesellschaftlicher Spaltung und der Gewaltbereitschaft gesellschaftlicher Gruppen gänzlich unbekannt. 

Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, dass Faschisten das gesellschaftliche und kulturelle Klima in diesem Lande schon beachtlich mit bestimmen. Faschismus ist keine Meinung - Faschismus ist ein Verbrechen.

Und wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, dass der nach dem GG begrenzte Verteidigungsauftrag der Bundeswehr ausgedehnt wird auf die ganze Welt und ihr Einsatz auch im Inneren normal werden soll.

Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg – das war die Hoffnung vieler Menschen nach dem 8. Mai 1945. Die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in diesem Land benötigen dazu noch viel bürgerschaftlichen Mut und viel gesellschaftliches Engagement für ein friedliches und freundschaftliches Miteinander.