11.03.06
"Völkermord stellt also kein NS-Unrecht dar?"
VVN-BdA nennt BVG-Entscheidung gegen die griechischen Naziopfer
'Reinwaschung des Naziregimes'
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 3. März 2006 zulasten der Opfer und Hinterbliebenen der Massaker der deutschen Besatzer in Griechenland einen weiteren Beitrag seiner Beschlusspraxis unter dem mutmaßlichen Motto ,Der deutsche Faschismus war und ist gar nicht so schlimm' abgeliefert.
Nachdem die Aufmärsche der Nazis und Neonazis vom höchsten deutschen Gericht regelmäßig als "missliebige", aber zu duldende Meinungsäußerungen verharmlost werden, wurde jetzt vom BVG erklärt, die Opfer von Distomo haben keine Entschädigung zu beanspruchen, "weil das Geschehen in Distomo als formell dem Kriegsvölkerrecht unterliegender Sachverhalt zu qualifizieren ist, dem kein spezifisch nationalsozialistisches Unrecht eigen und der deshalb nicht dem getrennt geregelten Bereich der Wiedergutmachung
von NS-Unrecht zuzuordnen ist." Das heißt, so etwas kommt im Krieg schon mal vor, meint das Gericht: "Dem Gesetzgeber ist es nicht verwehrt, zwischen
einem allgemeinen, wenn auch harten und mit Verstößen gegen das Völkerrecht
einhergehenden Kriegsschicksal einerseits und Opfern von in besonderer
Weise ideologisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen des nationalsozialistischen
Unrechtsregimes andererseits zu unterscheiden." Völkermord stellt also
kein NS-Unrecht dar.
Die im Rahmen des Vernichtungskrieges der deutschen Wehrmacht und der SS begangenen Kriegsverbrechen werden mit dem Spruch des Bundesverfassungsgerichts ihrer Singularität entkleidet. Angesichts der Tatsache, dass auch zahlreiche Massaker im Rahmen des Holocaust nicht als Massentötungen in Vernichtungslagern, sondern als nazistischer Völkermord in Form von Massenerschießungen durch SS, Einsatzgruppen, aber auch Wehrmachtseinheiten wie die Gebirgstruppe erfolgten, stellt der Spruch des
BVG ein himmelschreiendes Unrecht und Reinwaschung des NS-Regimes dar.
Gegen eine diesem Spruch zugrundeliegende Politik und Bundeswehrtradition werden Antifaschistinnen und Antifaschisten am 27. Mai in Mittenwald, anlässlich der Kriegsverbrecherehrung durch Bundeswehr und
Gebirgsjäger-Kameradschaft, und bei anderer Gelegenheit protestieren.
Daran werden sich auch Opfer aus den Opfergemeinden in Griechenland und aus anderen Ländern beteiligen. Die VVN-BdA setzt sich nicht nur für die Entschädigung der Opfer, sondern auch für die Bestrafung der Täter ein. Auch diese wird von deutschen Gerichten und Staatsanwälten nach wie vor nicht vor hintertrieben.
Pressemitteilung von Ulrich Sander, Landessprecher der VVN-BdA NRW
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