01.02.06
Politiker zum Handeln gegen Neonazis aufgefordert
VVN-BdA richtet Petition an den Landtag und Beschwerde an den
Generalstaatsanwalt
Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten hat jetzt in einer Petition an den Landtag die Politik zum Handeln gegen die Nazis im Lande aufgerufen. VVN-BdA-Sprecher Ulrich Sander (Dortmund) erinnerte an die Reden der Politiker von Landtagsparteien am Samstag anläßlich der Nazidemonstration durch Dortmund, die Handlungsbedarf der Politik gegen rechts betonten, nachdem die Justiz versagt habe. Sander: " Wir fordern die Landesregierung auf, die sog. 'freien Kameradschaften' aufzulösen und zu verbieten und jede Nachfolgetätigkeit zu bestrafen. Wir fordern den Generalstaatsanwalt in Hamm auf, die Ermittlungen gegen den Redner vom 3. 9. 2005 wieder aufzunehmen und ihn anzuklagen." Das steht in Briefen an den Landtag und an den Justizminister. (Siehe
Wortlaut der Erklärung unten stehend.)
Der Petitionsausschuss des Landtages hat die Petition angenommen und der Justizminister hat bestätigt, den Vorfall vom 3. September 2005 durch den zuständigen Generalstaatsanwalt aufklären zu lassen, bei dem dieselben Kreise, die jetzt wieder Naziparolen brüllend durch Dortmund zogen, unmißverständlich zu Krieg, weltweitem NS-Regime und Judenmord aufriefen. Sander forderte die Grünen- und SPD-Politiker, darunter solche, die jahrelang in Düsseldorf regierten und hinsichtlich NS-Umtriebe in NRW weitgehend untätig blieben, auf: Unterstützen Sie unsere Petition. Setzen Sie sich für die Bestrafung des Redners vom 3. September und für die Suspendierung seiner bürgerlichen Ehrenrechte entsprechend dem Grundgesetz ein. Ferner ist es notwendig, das Prinzip des höchsten NRW-Gerichts, des Oberverwaltungsgerichts von Münster, durchzusetzen: „Eine rechtsextremistische Ideologie lässt sich auch nicht mit den Mitteln des Demonstrationsrechts legitimieren“. (OVG NRW, Az 5 B B 585/01)
Verantwortlich: Ulrich Sander, Landessprecher der VVN-BdA NRW
Im Wortlaut: Petition an den Landtag von Nordrhein-Westfalen
Unsere Vereinigung, die VVN-BdA/Bund der Antifaschisten, die in Düsseldorf 1946 von den überlebenden Opfern des Faschismus und von Widerstandskämpferinnen und -kämpfern gegründet wurde, stellt immer wieder und nun erst recht im Zusammenhang mit neuen Naziaufmärschen in NRW die Frage, warum völkerrechtlich geächtete und verbotene Organisationen und ihre Nachfolger überhaupt das Demonstrationsrecht in Anspruch nehmen dürfen. Denn nicht nur die Bestimmungen von 1945/46 sowie das Grundgesetz Artikel 139, sondern auch die Organisationsverbote gegen Neonazis aus den 90er Jahren sind einzuhalten und gegen die "freien Kameradschaften" u.ä. anzuwenden, meinen wir. Deshalb schrieben wir wiederholt an die verantwortliche Landesregierung.
Ministerpräsident und Innenminister der neuen Regierung in Düsseldorf ließen uns nun u.a. wissen: "Für Ihre Ermutigungen im demokratischen Bestreben, die Lehren aus der Zeit des Nationalsozialismus zu beherzigen und den Rechtsextremismus zu bekämpfen, danke ich Ihnen." Weiter hieß es: "Vereinsverbotsverfahren gegen politische Gruppierungen, wie von Ihnen gefordert“ seien „unter engen gesetzlichen Voraussetzungen möglich.“
Wir richten an Sie die folgende Petition:
Verbieten Sie die nordrhein-westfälischen „freien“ nazistischen Kameradschaften, denn es liegen verbotsfähige Strukturen im Sinne des Vereinsgesetzes und des Grundgesetzes vor. Außerdem wird gegen das Verbot von Nachfolgeorganisationen laufend verstoßen.
Wir möchten daran erinnern: Diese Kameradschaften üben Gewalt, Mord und Terror gegen Ausländer und Antifaschisten aus, und am Ostermontag 2005 kam es in Dortmund erneut zu einer Mordtat eines Täters aus den Reihen der Kameradschaften. Dennoch unterblieb bisher ein Vorgehen – oder wenigstens ein Demonstrationsverbot – gegen diese Organisationen seitens der Behörden.
Wir bitten Sie, in Ihrer Parlamentsarbeit mit uns auch für folgendes einzutreten:
- Durchsetzung des Prinzips „Eine rechtsextremistische Ideologie lässt sich auch nicht mit den Mitteln des Demonstrationsrechts legitimieren“, (Beschluss des höchsten Gerichts von Nordrhein-Westfalen, OVG NRW, Az 5 B B 585/01). Damit wird zur Wiederherstellung des Verfassungsprinzips des Artikels 139 GG beigetragen, das die 1945/46 geschaffenen Bestimmungen zur Zerschlagung von NS-Organisationen auch für das Heute verbindlich regelt. Höchste NRW-Richter haben sich mit ihren Urteilen gegen die Neonazis gewandt. Ihre Rechtssprechung sollte endlich in NRW volle Gültigkeit erhalten.
- Nachdem die SPD-Landtagsfraktion von NRW ein gesetzliches Verbot von Versammlungen und Aufzügen von Rechtsextremen an Gedenkstätten in Nordrhein-Westfalen initiiert hat, bitten wir darum, im ganzen Land das Verbot von NS-Aufmärschen
zu verfügen. In Berlin wurde am 8. Mai per Gesetz wie auch per Bürgerprotest verhindert, dass Neonazis in die Nähe von Holocaustdenkmal und Brandenburger Tor kamen. Wir meinen: Es geht nicht nur darum, den Nazis und der NPD das Brandenburger Tor zu verschließen, es geht auch darum, ihnen überall Tür und Tor zu versperren, an jedem
Ort, auch in NRW.
- Beendigung der Verfolgung von Antifaschisten und Demokraten, denen „Störung“ von Naziaufmärschen vorgeworfen wird, während doch solche Proteste nach den Aufrufen zum „Aufstand der Anständigen“ dringend geboten waren.
Im Wortlaut: Beschwerde beim Generalstaatsanwalt in Hamm
Die Behauptung, die Neonazis böten meist keinen Anhaltspunkt zum juristischen und polizeilichen Vorgehen, trägt nicht. Am 3. September 2005, zum Antikriegstag, säuselten die Neonazis: "Nie wieder Krieg...". Und sie bekamen ihren Aufmarsch genehmigt. Die Polizei schritt auch nicht ein, als der Naziredner ergänzte: "... nach unserm Sieg!" „Nie wieder Krieg“ werde es erst heißen, wenn der "nationale Sozialismus" weltweit gesiegt habe. Der antisemitische Hetzredner rief unter dem Gejohle seiner Anhänger: "Jedem Volk seine Nation, sein Reich. Da dem auserwählten aller Völker, nach eigenem Bekunden, das Himmelreich gehört, brauchen wir uns darüber auch keinen Kopf machen."
Die VVN-BdA hat die Rede des Nazis Siegfried Borchardt der Staatsanwaltschaft übergeben, doch diese bekundete, man könne derlei Aufruf zu Krieg, NS-Diktatur und Judenmord "noch nicht" als Volksverhetzung bezeichnen und ahnden. Als der VVN-Landessprecher den Vorgang ins Internet stellte, begannen die Neonazis auf ihren Websites eine Diskussion darüber, was gegen die VVN-BdA zu unternehmen sei. Und sie wollen nun ... den Volksverhetzungsparagraphen abschaffen; sie wollen freie Bahn für noch mehr Gewalt, Antisemitismus, Rassismus und Kriegshetze.
Wir fordern den Generalstaatsanwalt in Hamm auf, die Ermittlungen gegen den Redner vom 3. 9. 2005 wieder aufzunehmen und ihn anzuklagen.
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