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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

07.01.06

Gegen Bundeswehreinsätze im Innern

Hintergrundfakten zur Erklärung der VVN-BdA

Kurz nachdem die VVN-BdA die untenstehende Erklärung abgab, sagte Bundeswehr-Minister Franz Josef Jung, er sei gegen die Diskussion über die Änderung des Grundgesetzes zum Einsatz der Bundeswehr bei der Fußball-WM. Wer den Diskurs zu Bundeswehr und Grundgesetz seit 1990 verfolgt hat, kann dazu nur feststellen: Das „Dementi“ von Jung besagt nicht, dass das Thema vom Tisch ist, das besagt nur, dass Teile der Regierung für die alte bewährte Praxis eintreten, das Grundgesetz umzuinterpretieren, ohne den Wortlaut der Verfassung zu ändern.

Einsatzort der Bundeswehr ist die ganze Welt, sagte einst Bundeswehrminister Peter Struck, und zur ganzen Welt gehört auch das Innere Deutschlands, sagt die CDU/CSU. Nicht erst seit dem 11. September 2001, als Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber schon millionenfach die Moslems sich in Deutschland erheben sah (Tagesspiegel, 1.10.01), gegen die dann die Truppe aufmarschieren sollten, haben Unionsstrategen die Notwendigkeit betont, den "Wanderungsbewegungen" auf unser Land zu mit Bundeswehr und mit ihren Waffen zu begegnen. So hat der CDU-Verteidigungsminister Volker Rühe ein Jahr vor dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien bereits diesen Waffengang befürwortet - um, wie er vor Soldaten sagte, die Flüchtlinge fernzuhalten und, wenn sie schon mal da sind, sie zurückzutreiben.

Und so sind Abschiebungen in großem Stil stets die ersten Schritte nach dem bewaffneten Eingreifen. Und auch Einsätze im eigenen Land stehen bevor: "Im Zeitalter weltweiter Wanderbewegungen und internationalem Terrorismus" verwischten zunehmend die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit. Das schrieb der einstige und neue Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) lt. "Spiegel" vom 3.1.94, um zu fordern, dass die Bundeswehr auch bei größeren Sicherheitsbedrohungen im Innern "notfalls zur Verfügung stehen sollte". Die Wanderungsbewegungen wurden von CDU-Leuten als „Aggression“ angesehen. Das war lange vor dem 11.9.01.

Die Hessische Allgemeine (Kassel) berichtete nun am 3. Dezember 2005 und die Süddeutsche Zeitung am 16. Dezember 2005: Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat gefordert, bei der Fußballweltmeisterschaft 2006 auch die Bundeswehr einzusetzen. "Er hat vorgeschlagen, das Grundgesetz zu ändern, um Bundeswehreinsätze im Innern zur Gefahren- und Terrorabwehr zu ermöglichen.“

Damit befolgt Schäuble die Forderungen aus der Bundeswehrführung, die diese seit langem betreiben. "Unterhöhlt" werden die "klassischen Unterscheidungen zwischen innerer und äußerer Sicherheit sowie Krieg und Frieden," heißt es in einem Gutachten des Zentrums für Transformation der Bundeswehr (Waldbröl bei Köln) (lt. "Informationen für die Truppe" 2/2002). Schon Ende Juli 2002 forderten der Ex-Kosovo-Kommandant General Dr. Klaus Reinhardt, die Bundeswehr auch "zu Hause" einzusetzen; schließlich sei es doch die zentrale Aufgabe der KFOR und anderer internationaler Eingreiftruppen gewesen, für "innere Sicherheit" auf dem Balkan zu sorgen. Reinhardt, Chef der einflussreichen Clausewitzgesellschaft, höchstrangiger Gebirgsjägergeneral a.D. der Bundeswehr und Kosovo-Kommandant, hat auf der jährlich stattfindenden gemeinsam von Bundeswehr, Gebirgsjägerveteranen und –reservis-ten veranstalteten Ehrung von Kriegsverbrechern am Hohen Brendten (Mittenwald) die Unentbehrlichkeit des Vorbilds der Wehrmachtsgebirgstruppe für den heutigen Auftrag der Gebirgsjäger betont: Es sei richtig und notwendig, das "Koordinatensystem ihrer Werteordnung", das der NS-Wehrmachtsgebirgstruppe, an die Bundeswehr weiterzugeben. 

(Rede am Hohen Brendten, Pfingsten 2000) Ulrich Sander

Pressemitteilung: Antifaschisten der VVN-BdA gegen Bundeswehreinsätze im Innern

Berlin, 20.12.05

Antifaschisten der VVN-BdA gegen Bundeswehreinsätze im Inneren

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten warnt vor dem Vorhaben von Innenminister Schäuble die Bundeswehr bei der Fußballweltmeisterschaft vor Stadien, Flughäfen und Mannschaftsquartieren zum Objektschutz einzusetzen. Schäuble wolle die Gelegenheit nutzen, um sein 15 Jahre altes Vorhaben publikumswirksam umzusetzen. Das wäre der nicht hinnehmbare Durchbruch für den generellen Einsatz der Bundeswehr im Inneren, kritisierte VVN-BdA-Vorsitzender Werner Pfennig.

Schäuble hatte vorgeschlagen, das Grundgesetz zu ändern, um Bundeswehreinsätze zur Gefahren- und Terrorabwehr zu ermöglichen. Damit befolge er die Forderungen aus der Bundeswehrführung, die diese seit langem betreiben. Die VVN-BdA lehnt eine Grundgesetzänderung strikt ab. Dies legt fest, dass die Bundeswehr allenfalls zur Verteidigung des Landes vorgesehen ist. Alles andere ist verfassungswidrig. In Artikel 87a heißt es: "Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dies das Grundgesetz ausdrücklich zulässt."

Alarmierend sei auch das Bestreben der Bundesregierung, vom Bundesverfassungsgericht den Abschuss von Passagierflugzeugen genehmigt zu bekommen, die der Verteidigungs- und der Innenminister als von Terroristen gekidnappt ansehen, sagte Pfennig. "Luftsicherheitsgesetz" nennt sich das Gesetz, mit dem die kollektive Todesstrafe für Hunderte von unschuldigen Menschen eingeführt werden soll. "Wer mit Terroristen im Flugzeug sitzt ist ohnehin schon tot", erklären eiskalt die Regierungsvertreter.

Die VVN-BdA schließt sich auch der öffentlichen Kritik an Wolfgang Schäubles Legalisierung durch Folter erzwungener Aussagen an. Die Verfolgtenorganisation erinnert daran, dass die schleichende Legalisierung der Ermittlungsergebnisse terroristischer Geheimdienst- und Polizeidienststellen jahrzehntelange bundesdeutsche Praxis ist. Dies äußerte sich in der Übernahme von erzwungenen Aussagen von Nazigerichten und der Gestapo durch Nachkriegsbehörden, die damit unzählige Opfer des Faschismus um ihre Wiedergutmachung oder um die Streichung aus Vorstrafenregister brachten.

Die VVN-BdA appelliert an die Friedensbewegung und die Gewerkschaften, sich - ähnlich wie zu Zeiten des Kampfes gegen die Notstandsgesetze – gegen die Pläne des Innenministers und der Militärs zu wenden. Mit den Notstandsgesetzen von 1968, mit denen die Verfassung verändert wurde, regelte die vorletzte Große Koalition den Bundeswehreinsatz im Spannungs- und Verteidigungsfall. Nun stehen neue Interpretationen und gar Grundgesetzänderungen bevor, die weit über das hinausgehen, was Bundeswehr und CDU damals anstrebten. Widerstand gegen den Verfassungsbruch ist daher notwendig.

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