23.10.05
„Gerechter Krieg“ als Lehre aus den faschistischen Kriegsverbrechen?
Referat von Ulrich Sander, Bundessprecher der VVN-BdA, auf einer Tagung des Essener Friedensforums am 22. Oktober 2005 in der Volkshochschule am Burgplatz in
Essen
Vorbemerkung: Gerechte Kriege hat es gegeben, den Bauernkrieg, die antinapoleonischen Befreiungskriege, den Krieg der Anti-Hitler-Koalition der Völker und Staaten gegen Nazideutschland. Ob es sie heute und künftig noch gibt, das kann und möchte ich heute nicht behandeln. Ich kann mich nur auf die Frage konzentrieren: Sind die „gerechten Kriege“ der Deutschen denkbar? Nach allem was Preußen und Deutschland in den letzten beiden Jahrhunderten angereichtet haben, ist für mich die Antwort ein klares Nein.
Mit Beginn der NATO-Luftschläge gegen Jugoslawien im März 1999 beteiligten sich deutsche Streitkräfte erstmals seit Ende des Zweiten Weltkrieges wieder kämpfend an einem Krieg.
Die Bombardierungen wurde von Minister Rudolf Scharping (SPD) damit begründet, die in der jugoslawischen Provinz Kosovo lebenden Albaner vor den Angriffen und der Vertreibung durch serbische bewaffnete Kräfte schützen zu müssen. (Siehe Anmerkungen)
Die NATO habe auf die Vertreibungen geantwortet, sagte der Minister. Man habe aus Auschwitz Lehren gezogen. Holocaust-Überlebende wie Peter Gingold sagten dazu: Auschwitz war kein Vertreibungsakt, Auschwitz war millionenfache Massenvernichtung; er verwahre sich gegen den Vergleich. (siehe Anmerkungen)
Innerhalb der Bundeswehr wurde es anders dargestellt, als es der Minister tat: In der „Information für die Truppe“ wurde unter der Überschrift „NATO beschließt Luftangriffe auf Jugoslawien“ ausgeführt:
„Die Bundeswehr ist mit ECR-Tornados des Einsatzgeschwaders 1 aus Piacenza unmittelbar beteiligt: Am 24. März, abends gegen 18.30 Uhr, beginnt die Luftoperation ‘Entschlossene Kraft’, die Präsident Milosevic zur Annahme des Friedensplanes (!!) zwingen soll. Die serbische Seite antworte t(!!) mit der gewaltsamen Vertreibung der albanischen Bevölkerung aus dem Kosovo.“
(IfdT 4-1999 Die Vertreibung war also die Antwort auf die Aggression Deutschlands und der NATO - und nicht der wahre Kriegsgrund.
In Artikel 2 des „Vertrages über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland“ vom 12. 9. 1990, der unter dem Namen
„Zwei-plus-Vier-Vertrag“ in die Geschichte einging und als Friedensvertrag gilt, heißt es,
„dass von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird. Nach der
Verfassung des vereinten Deutschlands sind Handlungen, die geeignet
sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche
Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung
eines Angriffskrieges vorzubereiten, verfassungswidrig und strafbar.
Die Regierungen ... erklären, dass das vereinte Deutschland keine
seiner Waffen jemals einsetzen wird, es sei denn in Übereinstimmung
mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen.“
Acht Jahre nach der Versicherung, seine Waffen niemals einzusetzen, es sei denn gemäß der Verfassung und dem Völkerrecht, bricht Deutschland mit der Überfall auf Jugoslawien, einem Land, das schwer unter dem letzten deutschen Aggression litt, den Friedensvertrag. Zugleich brach das deutsche Heer - wieder einmal - seine Verpflichtung auf die demokratische Verfassung.
Mit der Erzwingung von Menschenrechten, mit der Verhinderung von Völkermord hatte der Krieg von 1999 nichts zu tun. Nicht einmal mit der Verhinderung von Massenvertreibungen – denn diese begannen erst nach dem 24. März und als Folge des Angriffs der Nato.
Zu den Aufgaben der „neuen“ Bundeswehr und „neuen“ NATO zählt die Stabilisierung von „instabilen“ Regionen an der Peripherie des Bündnisgebietes. Die Stabilität ist ein schwammiger Begriff. Gemeint ist damit, dass überall Ordnungen und Regime, die sich den Weisungen der NATO, der EU, des großen Kapitals entziehen, sich Eigenmächtigkeiten und Abweichungen von der Norm erlauben, zu bekämpfen und auf Linie zu bringen sind. Sorgenkinder der Militärs sind alle Länder rund um die ehemalige Sowjetunion und die Länder der ehemaligen Sowjetunion selbst, die sich nicht unterordnen oder drohen, sich künftig nicht unterzuordnen.
Es wurde oft auf den Widerspruch hingewiesen, dass die NATO angeblich für die Menschenrechte der Kosovaren eintritt und gegen Jugoslawien Krieg führt, aber nichts zur Durchsetzung der Menschenrechte der Kurden gegenüber der Türkei unternahm. Dies kann nur jemand als Widerspruch empfinden, der annimmt, dass die NATO wirklich für die Menschenrechte eintritt. In Wirklichkeit kämpft die NATO - und somit auch die Bundeswehr - nicht für Menschenrechte, sondern für die Stabilität im Sinne der großen Kapitalien und ihrer Politiker.
Der Krieg der NATO gegen Jugoslawien und der deutschen für „deutsche Interessen“ war auf die gleichen Interesse gerichtet wie der Krieg des NATO-Landes Türkei gegen die Kurden: Sicherung der Handelswege und des Zugangs zu Rohstoffen und Sicherung aller Regime, die diese militärischen, politischen und ökonomischen Ziele teilen, ferner Schaffung von „Stabilität“ im Sinne der NATO.
Dabei hätte man spätestens den Beschluss des Bundestages vom 16. Oktober 1998 zum Militärschlag der NATO gegen Jugoslawien unter Beteiligung der Bundeswehr als das nehmen müssen, was er war: Vorbereitung eines Angriffskrieges. Wer sich aber für die Kriegsvorbereitungen der Militärpolitiker interessierte, erfuhr darüber wenig, aber immerhin dies: Da berichtete die "Allgäuer Zeitung" vom 15. Mai 1998 über den Wahlkampfauftritt von CDU-Minister Volker Rühe vor Bundeswehrangehörigen in Marktoberdorf, wo er faktisch die Schaffung eines neuen völkischen Kleinstaates Kosovo auf dem Territorium Serbiens ankündigt, an der sich die Bundeswehr mit Waffengewalt beteiligen will, auch um Flüchtlinge von Deutschland fernzuhalten: "Wenn wir," so Rühe, "im Kosovo nicht richtig reagieren, haben wir noch mehr Flüchtlinge im Land." Deshalb werde eine Studie erstellt, die ebenso militärische Gesichtspunkte berücksichtige. Das war die Vorbereitung eines Angriffskrieges zur Abwendung von „Flüchtlingsströmen“. Doch es ging nicht nur darum, es ging um die Veränderung der Ordnung auf dem Balkan, wie sie 1918 entstanden war. Es sollten nicht nur die Ergebnisse des 2., sondern auch die des 1. Weltkrieges verändert werden. (siehe Anmerkungen).
Und auch darum: Der „Reader Sicherheitspolitik“ als Beilage zur Februar-1999-Ausgabe von
„IfdT“ sprach sich für „einen möglichen Militärschlag der Allianz gegen Serbien“ aus. Vor diesem Hintergrund wird gefordert, „deutsche Interessen in der internationalen Politik“ zu definieren. Die Definition „deutscher Interessen“ durch die führenden Politiker wurde vermisst.
Nicht erst die Entwicklung der letzten Jahre auf dem Balkan hat zu einem gefährlichen „Umdenken“ Deutschlands in der Sicherheitspolitik geführt, sondern schon seit Anfang der neunziger Jahre wird in der Bundeswehr gelehrt, dass sich Frieden nun einmal in geringerem Maße als früher durch Kriegsverhütung gewähren lasse. Der Krieg behaupte sich nun mal als Instrument im Arsenal der Politik. So oder ähnlich wurde es immer wieder mittels „Innerer Führung“ in Bundeswehrpublikationen gelehrt.
Und auch dies: Die Souveränität anderer Länder und das Nichteinmischungsprinzip müssten „in Frage gestellt“ werden; grundlegende Prinzipien des Völkerrechtes und der UN-Satzung „wie das Souveränitätsprinzip, Nichteinmischungsgebot und das Selbstbestimmungsrecht bedürfen einer Fortentwicklung.“ (Information für die Truppe 11/91).
Der Krieg als Instrument der Politik? Zu Zeiten der Nazis war dies Instrument lange Zeit der „Blitzkrieg“. „Schnelles Zupacken“ gegen die Serben, wie in der Zeit von 1941 bis 1944 galt als die richtige Methode, wie Nazi- und Bundeswehrgeneral Karl Wilhelm Thilo in einem Buch schrieb, das in der Bundeswehr weit verbreitet ist. Der Blitzkrieg war auch die Absicht der NATO-Generale beim Angriff auf Jugoslawien. Sie wollten schnell Fakten schaffen und priesen ihre gegen die UNO und das Völkerrecht gerichtete Politik auf diese Weise den Politikern an. Es sollte wohl schnell vergessen sein, dass der Krieg der Bundeswehr gegen Jugoslawien eindeutig gegen das Völkerrecht verstößt, nicht nur gegen die UN-Charta, sondern auch den NATO-Vertrag, die Schlussakte von Helsinki, gegen das Grundgesetz.
Artikel 2,4 der Charta der Vereinten Nationen lautet: „Alle UN-Mitglieder unterlassen jede gegen die territoriale Unversehrtheit eines Staates gerichtete Androhung oder Anwendung von Gewalt“.
Von allen illegal gegen Jugoslawien Krieg führenden Staaten war Deutschland am allerwenigsten dazu berechtigt. Auf Deutschland zielt noch immer die Feindstaatenklausel in Artikel 53 und 107 der Charta der Vereinten Nationen vom 26. 6. 1945. Sie gestattet den Mitgliedern der UN, gegen jeden Staat, der während des Zweiten Weltkrieges Feind (wie Deutschland) eines Unterzeichnerstaates der UN-Charta (wie Jugoslawien) war, auch ohne Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates Zwangsmaßnahmen zur Verhinderung neuer Aggressionen zu ergreifen. Jugoslawien hätte jedes Recht gehabt, um Hilfe gegen den Aggressor Deutschland zu bitten.
Mit dem Krieg gegen Jugoslawien sollte die NATO-Programmatik an die Stelle der UNO-Charta treten. Diese Charta war und ist eine wichtige Errungenschaft des antifaschistischen Kampfes der Völker und der
Anti-Hitler-Koalition. Sie wurde geschaffen, um vor allem Deutschland an neuen Kriegen und neuem Völkermord zu hindern. Die BRD hat sich immer wieder zur Einhaltung der UN-Charta verpflichtet und sie nun mit dem Angriff auf Jugoslawien mit Füßen getreten. Die Bundeswehr verstieß gegen die Verfassung, die ihr den Auftrag zur Landesverteidigung, nicht aber zum Angriff gibt.
Wie kam es dazu? Im Militär hat sich wieder ein Militärkonzept - bis an die Basis - durchgesetzt, das an die Zeit anknüpft, da Kriege „erlaubt“ waren, sie keine „Rechtfertigung“ brauchten und es „ehrenhaft“ war, „für das Vaterland zu sterben“, wie es der Neofaschist und Anwalt Jürgen Rieger („Nordische Zukunft“) formulierte. Kriegerische Mittel sind somit normal - wir kehren zur Normalität zurück, hieß es denn auch ständig unter den Militärs. Dem Staat soll nun wieder „das Recht, seine Angehörigen zu opfern,“ eingeräumt werden. Die Militaristen zitierten gern Ernst Jünger: „Was ist das für ein Krieger, der keine Rasse besitzt?“ Und manche rufen wohl auch den Generalstabschef von Wilhelm II, Moltke, als Zeugen an: „Der Krieg ist ein Mittel in Gottes Weltordnung. Der ewige Friede ist ein Traum, und nicht einmal ein schöner. Ohne Krieg würden die Menschen im Materialismus versumpfen.“
Ernst Jünger wird als „rechter Intellektueller“, der im „inneren Widerstand zum Nationalsozialismus stand“, ausführlich in der Bundeswehrzeitschrift „Information für die Truppe“ gewürdigt und zitiert: „Der Krieg, aller Dinge Vater, ist auch der unsere; er hat uns gehämmert, gemeißelt und gehärtet zu dem, was wir sind“ (in IfdT 4/98).
Die Bundeswehraktivitäten haben aber auch den reaktionären Vertriebenenverbänden Auftrieb gegeben. Der Krieg gegen Jugoslawien – auch zum Zwecke der Rückführung der Flüchtlinge geführt - brachte sie auf die Idee, die in Potsdam 1945 von den Alliierten beschlossenen Umsiedlungen der Deutschen aus ehemaligen deutschen Gebieten erneut zu thematisieren und eine Rückgängigmachung der „Vertreibung“ der Deutschen zu verlangen. Und Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) schalt die Linken, sich der Erörterung der „Vertreibungsverbrechen“ bisher verweigert zu haben. (Frankfurter Rundschau, 29. Mai 1999). Sie müssten nun, da der Kosovo-Krieg das alte Unrecht von 1945 wieder aufscheinen lasse, „den Mut zu klarer Sprache aufbringen“.
Neben Rüstungswirtschaft und Revanchismus wurde auch der Geschichtsrevisionismus durch den deutschen Krieg von 1999 gestärkt. Zu verweisen ist auf die neuerdings feststellbare allgemeine Vernachlässigung der deutschen Kriegsschuld und der deutschen Kriegsschuldigen in der historischen Diskussion. Wenn von der deutschen Vergangenheit gesprochen wird, wird sie fast nur noch unter dem Aspekt Auschwitz gesehen - so wichtig der ist. Und so richtig es ist, die Verbrechen der Wehrmacht anzuprangern, so muss auch gesehen werden: Es gab nicht nur Wehrmachtsverbrechen und die der SS, die Wehrmacht der Nazis war das Verbrechen. Es gab nicht nur Kriegsverbrechen, es gab auch das Verbrechen des deutschen Angriffskriegs, nicht erst seit 1941, sondern spätestens seit 1939.
Es kam nach dem Jahrhundertverbrechen Weltkrieg Nr. eins zum Jahrtausendverbrechen Weltkrieg Nr. zwei und zum Nazifaschismus. Und über den Krieg wird wenig gesprochen, wenn der Holocaust thematisiert wird. Der Krieg - und hier erkennen wir die bedenkliche Seite der in anderer Hinsicht heilsamen Goldhagen-Debatte, die ja den Krieg als Voraussetzung des Holocausts leugnete - bleibt außen vor, obwohl der Völkermord an den Juden, an den Slawen und Sinti und Roma nicht möglich gewesen wäre ohne den Krieg, der dann 50 Millionen Tote forderte. Der Freiburger Historiker und Forscher der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik Prof. Ulrich Herbert bemängelt (in „NS-Vernichtungspolitik“, Geschichte Fischer 1998, Seite 10) die Methode, „dass Goldhagen den deutschen Völkermord an den Juden aus dem engen Zusammenhang zur deutschen Kriegsführung insgesamt und zu der brutalen Vernichtungspolitik insbesondere gegenüber der sowjetischen Bevölkerung sowie anderen ethnischen und sozialen Gruppen herausgelöst hat.“ Und weiter: „Um es zuzuspitzen: Goldhagen suggeriert gerade den Deutschen der jüngeren Generation die Erfüllung eines verständlichen Wunsches: Nämlich durch Zustimmung zu seinem Buch nicht auf der Seite der Beschämten stehen zu müssen, sondern auf der Seite der Beschämer.“
Der Krieg wird nicht mehr als das primäre Verbrechen angesehen, sondern ein davon fälschlich losgelöster Völkermord ohne Kriegshintergrund soll dies gewesen sein. Und endlich sind es nicht mehr die Deutschen, die beschämt sein müssen, sondern die Serben, allen voran ihr damaliger Ministerpräsident Slobodan Milosevic. Die Deutschen durften, losgelöst von ihrer Vergangenheit, mal so richtig gegen „einen Hitler“ wettern. Und gegen einen „neuen Faschismus“ (Joseph Fischer) durften sie kämpfen, um endlich deutsche Vergangenheit vergessen zu machen. Und sei es mit Krieg! Und sei’s gegen die Serben, für die es keine Gnade gibt! Die Verbrechen der Deutschen an den Serben, der im vorigen Jahrhundert zweimal geführte Krieg gegen sie - das ist vergessen oder wird verdrängt.
Viele Deutsche, deren Vorfahren keinen antifaschistischen Widerstand zustande gebracht haben, nehmen die „Selbstkritik“ des Westens gern auf, man habe gegen Hitler nicht früh genug gehandelt und auch Milosevic zu lange gewähren lassen. So gelingt es, sich in den versäumten Antifaschismus einzuschleichen - und endlich mal auf der „richtigen“ Seite zu stehen.
Wurde nicht das NS-Regime auch mittels Krieg bezwungen? So fragen die neuen Menschenrechtskrieger. Ja, aber nicht durch einen Angriffskrieg. Nachdem der deutsche Faschismus seine Kriegswalze in gang setzte und einen Weltkrieg auslöste, der 50 Millionen Tote verlangte, da hat er diesen Krieg dank den vereinigten Anstrengungen der Völker der Anti-Hitler-Koalition verloren. Niemand hat daran gedacht, gegen das NS-Regime einen Angriffskrieg zu führen. Vor und nach Kriegsbeginn 1939 hätten vielfältige Möglichkeiten gegen Hitler geholfen: Festigkeit beim Einmarsch im Rheinland, in die Tschechoslowakei, ins Saarland, in Österreich; ferner vielfältige Blockaden, Embargos und Sanktionen. Aber die wurden nicht angewandt. Auch kam man Polen seitens des Westens nicht zu Hilfe.
Schon im Herbst 1999 hatte der stellvertretende Oberkommandierende der NATO im Krieg gegen Jugoslawien, der deutsche General Klaus Naumann, ausgesprochen: Der „Kosovo-Krieg“ war nur der Auftakt. Laut FAZ vom 1.10.1999: „...es ist wohl richtig, daß wir nach einem solchen Konflikt feststellen: das machen wir beim nächsten Mal besser. Denn der nächste Konflikt wird kommen." Der „Kosovokrieg“ sei nüchtern auszuwerten, "um beim nächsten Mal noch besser zu sein und vor allem noch schneller den Gegner zum Einlenken zwingen zu können".
"Die andere, bedeutendere Lektion, die wir aus dieser Erfahrung gelernt haben, ist die, dass wir unsere militärischen Schritte nicht auf Ziele wie die Rückkehr zu Verhandlungen ausrichten sollten. Wir sollten vielmehr die Planung auf das ehrgeizigere Ziel ausrichten, dem Gegner unseren Willen aufzuzwingen." Dies sei unabdingbar, um die eigenen Interessen durchzusetzen "Es geht um viel mehr als um die Bundeswehr. Es geht um unsere Politikfähigkeit schlechthin. ... Wir müssen das auf die Waagschale bringen, was uns Einfluß sichert."
Angesichts solcher „Perspektiven“ bleibt uns nichts anderes übrig als alles zu tun, um Völkerrecht entsprechend der Uno-Charta, die genau definiert, was „gerechte Kriege“ heute wären, wieder wahr werden zu lassen – und um das Grundgesetz wiederherzustellen.
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Anmerkungen
- Der Verteidigungsminister hatte bereits vor der völkerrechtswidrigen Aggression der NATO gegen Jugoslawien, an der die Bundeswehr in verfassungswidriger Weise teilnimmt, bei einem Bundeswehrbesuch in Auschwitz gesagt: Um ein neues Auschwitz zu verhindern, „ist die
Bundeswehr in Bosnien“, und daß sie darum „wohl auch in das Kosovo gehen“ wird. In Erklärungsnot geraten, berief sich auch der Außenminister auf die neue Art der Auschwitzlüge, um den verhängnisvollen Verstoß gegen die gerade auf Grund der Lehren von faschistischem Krieg und Holocaust geschaffene UN-Charta zu begründen.
- Aus einer Erklärung von Holocaustüberlebenden gegen die „neue Art der Auschwitzlüge“ vom März 1999: „Wir Überlebenden von Auschwitz und anderen
Massenvernichtungslagern verurteilen den Missbrauch, den Sie (Fischer und Scharping) und andere Politiker mit den Toten von Auschwitz, mit dem von Hitlerfaschisten im Namen der deutschen Herrenmenschen vorbereiteten und begangenen Völkermord an Juden, Sinti und Roma und Slawen betreiben. Was Sie tun, ist eine aus Argumentationsnot für Ihre verhängnisvolle Politik geborene Verharmlosung des in der bisherigen Menschheitsgeschichte einmaligen Verbrechens. Diese Ihre Vorgehensweise soll offenbar einen schwerwiegenden und nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Charta der Vereinten Nationen rechtfertigen. Die gegen Deutschland und Japan siegreichen Völker haben sich diese Charta 1945 gegeben, um „künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat“ – das bekanntlich von deutschem Boden ausging. Sie beschlossen, die „Kräfte zu vereinen, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren“.
- Einen Verteidigungsminister a.D. Ruppert Scholz hörte ich dort offen zum Verfassungsbruch aufrufen, indem er alles andere als Verteidigungseinsätze – und nur sie sind durch das Grundgesetz nach wie vor gedeckt – von der Bundeswehr einforderte: Nach der Überwindung der wesentlichen Folgen des Zweiten Weltkrieges sei nun die Zeit gekommen, auch die Ergebnisse des Ersten Weltkrieges zu überwinden. Die Redaktionen, denen ich meinen Bericht über das Symposium sandte, fanden derartiges wohl zu unwahrscheinlich, veröffentlichten die zentrale These des CDU-Politikers und späteren Vorsitzenden des Verfassungsrates von Bundestag und Bundesrat Scholz nicht, - und ich konnte mich nur auf meine Notizen als Zuhörer berufen. Erst zwei Jahre später gelangte ich an das Protokoll dieser internen Tagung, das vom Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft in einer „bbw-Dokumentationsreihe“ als Nr. 20 gedruckt wurde.
Es war die Zeit, da noch sämtliche Parteien in Worten für Abrüstung eintraten, eine „Friedensdividende“ nach Ende der Ost-West-Konfrontation für möglich hielten. Der Wortlaut des Grundgesetzes, der Angriffskriege verbietet (Artikel 26) und deutschen Soldaten als militärische Handlung nur die Verteidigung des Territoriums (Artikel 87 a) erlaubt, wurde noch allgemein respektiert. Die SPD hatte und hat ein Parteiprogramm, in dem es heißt: „Unser Ziel ist es, die Militärbündnisse durch eine europäische Friedensordnung abzulösen.“ Und die Bündnisgrünen forderten gar: Raus aus der NATO. Kanzler Kohl, der am 3. Oktober 1990 zwar angekündigt hatte, die Deutschen würden mit Streitkräften der UNO helfen, wenn diese es wünsche, sagte, und sein Verteidigungsminister Rühe unterstützte es: Niemals sollten Soldaten aus Deutschland dort stehen, wo sie einst als Wehrmachtsangehörige standen.
Angesichts dessen, waren die Hauptaussagen der Fürstenfeldbrucker Tagung, die Forderungen der Manager und Militärs, höchst alarmierend: Militärische und ökonomische Eliten zeigten den Politikern auf, wo es lang gehen sollte. Scholz führte aus,
„dass der Jugoslawienkonflikt unbestreitbar fundamentale gesamteuropäische Bedeutung hat. Wir glauben, dass wir die wichtigsten Folgen des zweiten Weltkrieges überwunden und bewältigt hätten. Aber in anderen Bereichen sind wir heute damit befasst, noch die Folgen des Ersten Weltkrieges zu bewältigen. Jugoslawien ist als eine Folge des Ersten Weltkrieges eine sehr künstliche, mit dem Selbstbestimmungsrecht nie vereinbar gewesene Konstruktion.“ Das bedeute, „dass meines Erachtens Kroatien und Slowenien völkerrechtlich unmittelbar anerkannt werden müssen. Wenn eine solche Anerkennung erfolgt ist, dann handelt es sich im Jugoslawienkonflikt nicht mehr um ein innenpolitisches Problem Jugoslawiens, in das international nicht interveniert werden dürfe.“ (Zitiert nach Ulrich Sander „Macht im Hintergrund – Militär und Politik in Deutschland von Seeckt bis
Struck“, Neue Kleine Bibliothek 96, Papy Rossa, Köln)
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