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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

16.10.05

Gedenken an die Opfer von Freikorps, Nazis und Polizei

VVN-BdA: Dortmunder Nordmark in Opa-Wille-Platz umbenennen!

Ulrich Sander, Bundessprecher der VVN-BdA

Gedenkkundgebung auf dem Nordmarkt in Dortmund am 16. Oktober 2005

Dieser Platz, der 1909 fertig gestellt wurde und nach dem ersten Weltkrieg Platz der Republik, in der Nazizeit Horst-Wessel-Platz und nach 1945 Nordmarkt hieß, bietet laut lokaler Geschichtsschreibung als Park „den Anwohnern eine Stätte zum Verweilen und zum Müßiggang.“

Er hat hungernde Menschen an Lebensmittelstellen des ersten Weltkriegs gesehen. Bis heute dient er als Wochenmarkt. Doch immer wieder geriet er in den Blickpunkt politischer Auseinandersetzungen: Demonstrationen und gewaltsame Zusammenstöße gab es hier statt. Freikorps-Soldaten, die Vorläufer der Nazis, die 1920 gegen die Republik putschten, nahmen hier einen unbekannten Arbeiter fest. Sie behaupteten, der Man sei bewaffnet gewesen, um als Teilnehmer der Roten Ruhrarmee gegen rechts und für die Republik zu kämpfen. Und so töteten sie den Arbeiter auf der Stelle. In den zeitgenössischen Berichten heißt es: „Sein Kopf wird zur Abschreckung auf einen Pfahl gespießt und am Nordmarkt aufgestellt.“

Am 16. Oktober 1932, heute vor 73 Jahren, zieht eine ca. 800köpfige SA-Formation in einem Propagandamarsch zum Nordmarkt. Die braunen Uniformträger fordern damit die in der Nordstadt stark vertretene kommunistische Organisation „Kampfbund gegen den Faschismus“ und das sozialdemokratische “Reichsbanner“ heraus. Es kommt zu einer Schießerei, der sogenannten „Schlacht am Nordmarkt“; zwischen SA, Arbeitern und der Polizei. Opfer der Polizeikugeln werden allerdings nur unbeteiligte Anwohner und Passanten: Eine Mutter in ihrer Wohnung und ein ahnungsloser Kirchgänger. 14 Menschen werden zum Teil schwer verletzt. Dies Mahnmal auf der Südseite des Platzes erinnert heute an die Naziprovokation.

Das Jahr 1932 sah viele Höhepunkte im Streben der Nazis, mit Hilfe der bürgerlichen rechten die Macht zu erringen. Schon im Januar 1932 werden in Dortmund im Wahlkampf von den Nazis der junge Kommunist Willi Jäger und der junge Katholik Josef Geise ermordet. Es gibt über 6 Millionen Arbeitslose wie auch viele von Arbeitslosigkeit Bedrohte. Das Versprechen der Nazis an das Große Kapital, die marxistischen Bewegungen zu zerschlagen und die Massen der Arbeiterschaft ins nationale Lager zu führen, macht bei den Großen der Industrie- und Finanzwelt viel Geld locker. Als im August 1932 im schlesischen Potempa drei Nazis einen kommunistischen Arbeiter polnischer Nationalität erschlagen, da erzwingt die NSDAP die Straffreiheit für die Mörder, und Hitler zahlt den Tätern Tausende von Reichsmark aus der reich gefüllten Parteikasse. Schon damals zeichnete sich ab, was Prof. Hans Mommsen nach den Erfahrungen von Krieg und Faschismus so bilanzierte: „Die Welle von Korruption, Gewalt, Unmenschlichkeit, Verbrechen und Vernichtung, die der Nationalsozialismus im Gefolge hatte, besitzt nichts Vergleichbares in der europäischen Geschichte.“

In jener Zeit verschickten die Nazis an ihre Gegner anonyme Botschaften, nach denen sie „strafen und rächen“ würden. Der Nordmarkt wurde Schauplatz derartiger Racheakte.

Daran fühlten wir uns erinnert, als nach dem 28. März 2005, dem Tag, da ein entmenschter Parteigänger der rechten Szene in Dortmund einen junge Familienvater aus der Punk-Szene erstochen hatte, die Neonazis ganz dreist ankündigten: „Wer sich unserer Bewegung in den Weg stellt, der muss mit Konsequenzen rechnen.“ In anderen Aufrufen, riefen sie zur „Bestrafung“ ihrer Gegner auf. Im Falle des Mordes von Ostermontag 28. März war es gar die Todesstrafe. Trotzdem wird gegenwärtig der Prozeß gegen den Täter so geführt, als sei dies ein unpolitischer Vorgang gewesen. Der Verteidiger des Mörders erklärte in der Presse wahrheitswidrig, das Opfer habe den Täter verbal provoziert und dieser habe dann erst das Opfer niedergestochen. Der Täter hatte ein Messer dabei, „weil das in der Szene eben üblich ist“.

Wenn eine rechte Szene bewaffnet und mordbereit in Dortmund wirkt, dann verlangen wir das Verbot ihrer Organisationen und die Bestrafung ihrer Anführer. Was wir nicht gebrauchen können, das ist die jämmerliche Haltung von hohen Stadtbediensteten, die Räume für eine antifaschistische Ausstellung mit den Worten verweigerten, sie fürchteten „Gegenreaktionen“, und könnten den „erhöhten Sicherheitsbedarf“ nicht gewährleisten.

In keiner Stadt außer in Dortmund wurde bisher antifaschistischer Aufklärungsarbeit auf diese Weise Platzverweis erteilt, ein Platzverweis, den wir gegenüber Neonazis in Dortmund immer wieder vermisst haben. Nirgends sonst ist bisher eine Stadtverwaltung auf die Idee gekommen, derartiges den demokratischen Bürgerinnen und Bürgern zuzumuten.

Vorauseilender Gehorsam gegenüber Nazis! Soll sich die Vergangenheit wiederholen?

Die IG Metall und die VVN-Bund der Antifaschisten haben diese Entscheidung nicht hingenommen. Glücklicherweise können wir heute sagen: Die unfassbare Begründung für die Verweigerung eines Ausstellungsraumes durch die Stadt, die auf einen vorauseilenden Gehorsam gegenüber den Nazis hinauslief, konnte keinen Bestand haben. Nun wird die Ausstellung von der IG Metall und der VVN-BdA im Dezember/Januar in einem städtischen Raum gezeigt werden.
Wenn wir die Ausstellung eröffnen können, dann – so hoffe ich – sind wir hier auch ein Stück weiter gekommen, was ein anderes furchtbares Ereignis auf diesem Platz Nordmarkt anbelangt. Denn hier haben die Nazis im Jahre 1934 „Opa Wille“ ermordet, weil er die Hakenkreuzfahne nicht grüßen wollte. Der ehemalige Bergmann, der als alter Rentner hier auf der Bank saß, antwortete auf die Aufforderung, die Nazifahne zu grüßen: "Putzlappen hab` ich noch nie gegrüßt!" Wir haben vor einiger Zeit die Forderung formuliert, diesen Nordmarkt umzubenennen in Opa-Wille-Park. Heute werden Jugendliche mit einer symbolischen Umbenennung des Platzes dieser Forderung nachkommen.
Heute haben wir uns der Schlussfolgerungen der Nazigegner zu erinnern, die sie nach 1945 zogen: Sie haben damals die »vier Ds« zu ihrem Sofortprogramm gemacht: Denazifizierung, Demilitarisierung, Demonopolisierung - also Enteignung des Großkapitals - und schließlich die Demokratisierung der Gesellschaft. Das war für sie untrennbar, dafür haben sie gewirkt. Dafür stand auch die Gewerkschaftsbewegung. Leider sind wir noch weit entfernt von der Umsetzung der Losung »Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus«, oder von der des Schwurs der Überlebenden von Buchenwald: »Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung, eine Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.« Dies sind bleibende Aufgaben. 

Das bedeutet zunächst: Sozialer Fortschritt auf der Grundlage des Grundgesetzes, das den Angriffskrieg verbietet und den Sozialstaat verlangt. Wir rufen: keine Gewalt durch Krieg und Naziterror – für Abrüstung zugunsten der Sozial- und Bildungspolitik – für die Sozialpflichtigkeit des Eigentums – für die Grundrechte unserer Verfassung.