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Nazis raus aus dem Internet

 

01.06.05

Tief im Graben des Kalten Krieges

Im Bundesjustizministerium ist die Zeit stehengeblieben – Langzeitwirkung der verweigerten braunen Entsorgung

von Hans Daniel

Josef Mallmann, heute Rentner in Berlin, früher in der (West-)BRD lebend und dort als Mitglied der KPD gleich vielen anderen Genossen in Berührung mit der politischen Justiz gekommen, pflegt einen rührigen Briefwechsel mit diversen Bundesbehörden. Mit der Frau Bundesjustizministerin, mit dem Bundespräsidenten, auch mit dem Bundeskanzler. Sein Verlangen deckt sich mit dem von rund 10000 Bundesbürgern, die ab 1951 von Gerichten der Alt-BRD verurteilt worden waren – vor allem wegen ihrer Tätigkeit für die 1956 verbotene KPD oder in anderen, den jeweiligen Bundesregierungen ob ihrer politisch mißliebigen Haltung etwa in Fragen der Ost- oder Deutschlandpolitik oder im Bezug auf die frühere Wiederaufrüstung der BRD suspekten Organisationen. Sie sollten doch endlich rehabilitiert, ihre Verfolgung offiziell als Produkt des Kalten Krieges und damit als Unrecht anerkannt werden.

Sein Schreiben vom 14. Dezember 2004 an den Herrn Bundeskanzler wurde, wie der nun eingegangenen Antwort zu entnehmen ist, einem Neutrum namens Jaath »zur Übernahme und weiteren Bearbeitung zugeleitet«. »Mit freundlichen Grüßen im Auftrag« erfuhr Josef Mallmann, nach der Errichtung der Bundesrepublik habe der »Gesetzgeber durch das 1. Strafrechtsänderungsgesetz vom 30. August 1951 (BGBl. I, S. 739) das Recht des strafrechtlichen Rechtsschutzes neu geregelt«.

Das stimmt insoweit, als durch die Vorschriften des Alliierten Kontrollrats die Vorschriften des faschistischen politischen Strafrechts, u. a. auch die zur Schaffung politischer Sonderstrafkammern, aufgehoben worden waren. Wobei anzumerken ist, daß die Neuregelung ihren Ursprung hatte in einem von der SPD am 15. Februar 1950 eingebrachten »Entwurf eines Gesetzes gegen die Feinde der Demokratie«, das sich vor allem gegen das Wiederaufleben des Faschismus, die Verächtlichmachung des Widerstandes, gegen »Friedensstörung« u. a. richtete. Auf dem Weg durch die Instanzen verschwanden alle antifaschistischen Aspekte. Am Ende blieb ein politisches Sonderstrafrecht, das bis 1968 wesentliche demokratische Grundrechte der BRD-Bürger verletzte.

Braune Handschrift

Die »Bereinigung« von antifaschistischen Inhalten nimmt schon allein darum nicht wunder, wenn man bedenkt, daß mit der Weiterentwicklung des Gesetzeswerkes maßgeblich der vormalige Regierungsrat im NS-Justizministerium Dr. Josef Schafheutle, nun Ministerialdirektor im Bonner Bundesjustizministerium, befaßt war. Alle wesentlichen Strafgesetze des faschistischen Regimes, ob die »Verordnung über die Bildung von Sondergerichten« oder das »Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Strafrechts und des Strafverfahrens«, entstanden unter seiner Mitwirkung. Roland Freisler, der auf der Grundlage dieser Gesetze Gegner des Regimes in Serie aufs Schafott geschickt hat, nannte die Sondergerichte 1939 die »Panzertruppe der Rechtspflege«. »Sie müssen ebenso schnell sein wie die Panzertruppe, sie sind mit ebenso großer Kampfkraft ausgestattet.«

Intentionen jener Gesetzeswerke lassen sich dann auch in dem schließlich im August 1951 in Kraft getretenen »1. Strafrechtsänderungsgesetz« (wegen der Eile der Durchpeitschung durch die parlamentarischen Instanzen als »Blitzgesetz« bezeichnet) finden. Etwa die weitgehende Übernahme der Interpretation des Begriffs Landesverrat aus der Novelle von 1934 oder der von den Alliierten als »typisch nationalsozialistisch« aufgehobenen Vorschriften zum »Hochverrat« oder durch die bundesweite Schaffung von insgesamt 17 politischen Sonderstrafkammern – eine in jedem Oberlandesgerichtsbezirk mit einem besonderen obersten politischen Senat beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Der verfügte neben der Deutungshoheit über politische Straftaten (»Staatsgefährdungsdelikte«) über eine gleichsam päpstliche Unfehlbarkeit, da es gegen seine Verdikte keine Einspruchsmöglichkeit gab; hier wurde in erster und letzter Instanz entschieden.

Paranoider Antikommunismus

Doch zurück zu jenem Schreiben aus dem Bundesjustizministerium. Hierzu muß dessen Autor tief in die Archive aus den Jahren der Hochzeit des Kalten Krieges gestiegen sein, der, wie der ehemalige niedersächsische Justizminister Prof. Dr. Christian Pfeiffer es einmal rückblickend formulierte, Zeit der Herrschaft des »teilweise geradezu paranoiden Antikommunismus«. Zitat: »Als Lehre aus der nationalsozialistischen Machtergreifung und unter dem Eindruck der damaligen weltpolitischen Lage war der Gesetzgeber bestrebt, schon erste Anfänge kommunistischer oder anderer Umsturzversuche mit den Mitteln des Strafrechts zu bekämpfen. Daher wurde die Strafrechtsschwelle sehr weit in den Bereich der Vorbereitungshandlungen vorgelegt.«

Die Antwort aus dem Bundesjustizministerium stellt alle bisherigen regierungsamtlichen ignoranten Reaktionen auf Appelle der Opfer der politischen Justiz in den Jahren von 1951 bis 1968, sich nun endlich von dieser »Altlast des Kalten Krieges« (etwa: »Es gab keine politische Justiz in der BRD«) zu befreien, in den Schatten. Der Rückgriff des Ministeriums auf die Mär von möglichen kommunistischen Umsturzversuchen ist angesichts der damaligen Situation pure Geschichtsfälschung. Er kollidiert nicht nur mit den Forschungsergebnissen bedeutender Rechtsgelehrter sowie denen der staatlichen Überwachungsorgane, er steht auch im Widerspruch zu mittlerweile selbst von SPD-Politikern anerkannten rechtswidrigen Handlungen von Regierung und Justiz in jenen Jahren.

»Politisch war das 1. Strafrechtsänderungsgesetz von 1951 eindeutig und ausschließlich gegen Kommunisten gerichtet«, stellte der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Alexander von Brünneck im Oktober 1997 auf der Tagung »Politische Strafjustiz 1951–1968, Betriebsunfall oder Symptom?« in der Recklinghauser Justizakademie des Landes Nordrhein-Westfalen fest. (Knapp drei Monate nach Verkündung des »Blitzgesetzes« stellte die Bundesregierung am 22. November 1951 beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe den Antrag auf Verbot der KPD.) Brünneck zitierte die Tageszeitung Die Welt vom 9. März 1950 mit der Feststellung »Mit den Bestimmungen über den Kalten Krieg bewegt sich das Gesetz auf der Höhe der Zeit« und den CDU-Bundestagsabgeordneten Haasler, der 1957 rückblickend im Bundestag das Gesetz als »eine Waffe charakterisiert hatte, die geschmiedet wurde, um im Kalten Krieg zu bestehen«.

Aufrüstung im Gerichtssaal

In Wahrheit brauchte die Bundesregierung einen Popanz zur Rechtfertigung ihrer Politik der Eingliederung in das von den USA gesteuerte weltweite antikommunistische Bündnis und ihrer daraus abgeleiteten Verfolgung der Kommunisten im eigenen Lande. Die standen an der Spitze des Kampfes gegen eine neue Wehrmacht, gegen die Rückkehr der alten Funktionseliten aus Politik, Justiz, Polizei und Wirtschaft an die Schalthebel der Macht. Die militärische Aufrüstung war begleitet von der Aufrüstung in den Gerichtssälen.

Der Politikwissenschaftler Joachim Perels verweist in seinem jüngst erschienenen Werk »Entsorgung der NS-Herrschaft?« (siehe jW vom 18. April) darauf, daß das 1. Strafrechtsänderungsgesetz im gleichen Jahr erging, »als mit dem Gesetz zu Artikel 131 des Grundgesetzes (›Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen‹) die weitgehende Inkorporation des Staatsapparates der NS-Diktatur in den demokratischen Rechtsstaat umfassend auf den Weg gebracht wird«.

Diese »Flurbereinigung für die Zukunft«, so Bundestagspräsident Hermann Ehlers seinerzeit, wurde drei Tage nach dem sechsten Jahrestag der Zerschlagung des faschistischen Regimes am 11. Mai 1951 verkündet und trat rückwirkend zum 1. April 1951 in Kraft. Fast zeitgleich wurde das »Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes« veröffentlicht, durch das die 1933 von Faschisten von den Hochschulen, aus der Justiz oder anderen Bereichen verjagten Personen wieder eingestellt werden sollten. Das 131er Gesetz (»die Achillesferse des verfassungsrechtlichen Neubeginns«) allerdings besaß, so Perels, »absolute Priorität«. Das hätten schon die vom Bundesinnenministerium eruierten Zahlen der Anspruchsberechtigten ergeben. »Während für die Geltendmachung eines Einstellungsanspruches aus Gründen der Wiedergutmachung mit etwa 600 Personen gerechnet wurde, ging man bei den Angehörigen des öffentlichen Dienstes des Dritten Reiches von etwa 450000 anspruchsberechtigten Personen aus.«

Juristen mit Erfahrung gefragt

Diese Regelungen haben dazu geführt, »daß die einstige nationalsozialistische Homogenisierung des Beamtenapparates wiederhergestellt wurde« (Perels). Demgegenüber bildeten die Vorschriften für die beamteten Opfer des Regimes kein wirkliches Gegengewicht. Für die Exekutierung des nun vorliegenden politischen Sonderrechts waren damit geradezu ideale Voraussetzungen geschaffen worden, zumal in den Ausführungsbestimmungen nachdrücklich Wert auf »erfahrene« Juristen gelegt worden war. Perels dazu: »Der Umstand, daß der Justizapparat des nationalsozialistischen Herrschaftssystems in den demokratischen Rechtsstaat weitgehend übernommen wurde – am Bundesgerichtshof waren ähnlich wie an anderen Gerichten etwa 80 Prozent der Richter bereits im Staats- und Justizdienst des Dritten Reiches tätig – hat für die gerichtsförmige Auseinandersetzung mit Kommunisten direkte Folgen. Da die neuen Normen (die so ganz neu ja nicht waren – H.D.) des Staatsschutzrechts weniger an objektive Tatbestände als an subjektive Intentionen anknüpften, die eine weite, weniger objektive Auslegung ermöglichen, konnte die antiliberale Strafrechtsdogmatik, die für die NS-Justiz bestimmend war, unter den Bedingungen der Bundesrepublik modifiziert weiter wirken.«

Auf gut deutsch: Die Herren Richter und Staatsanwälte mußten nicht lange umlernen. Ein paar neue Vokabeln reichten zur Vervollständigung der »Rechtskenntnisse« der nun »freiheitlich-demokratischen Grundordnung«. Den präventiven Umgang mit Kommunisten, im Brief an Mallmann mit »die Strafrechtsschwelle sehr weit in den Bereich der Vorbereitungshandlungen vorverlegt« umschrieben, hatte man gelernt. »Die strafrechtliche Verfolgung westdeutscher Kommunisten«, recherchierte der wissenschaftliche Mitarbeiter des Geschichtsortes Villa ten Hompel in Münster, Marc von Miquel, »wurde zuweilen von denselben Richtern und Staatsanwälten betrieben, die schon in der NS-Zeit politische Gegner in Gefängnisse, Konzentrationslager oder vor Hinrichtungskommandos gebracht hatten« (»Ahnden oder amnestieren? Westdeutsche Justiz und Vergangenheitspolitik in den sechziger Jahren«, Wallstein Verlag 2004).

Vom Reichsgericht zum BGH

Ein exemplarisches Beispiel ist der Fall Ernst Kanter. Er hatte bis 1942 als Senatsrat am Reichskriegsgericht und anschließend als Chefrichter der Wehrmacht im okkupierten Dänemark gewirkt. Krönung seiner Nachkriegslaufbahn war Anfang 1958 sein Wechsel vom Bundesjustizministerium in Bonn auf den Sessel des Präsidenten des 3. (politischen) Strafsenats beim Bundesgerichtshof (BGH). Damit war er in erster und letzter Instanz für alle Hoch- und Landesverratsdelikte zuständig. Das Ergebnis dieser Konstellation und die bis dahin ergangenen Urteile der politischen Sonderstrafkammern faßte zehn Jahre nach Verabschiedung des »Blitzgesetzes« der ehemalige Generalbundesanwalt Max Güde, mitbeteiligt am Verbotsverfahren gegen die KPD, im August 1961 in einem Spiegel-Gespräch folgendermaßen zusammen: »Die heutige politische Justiz judiziert aus dem gleichen gebrochenen Rückgrat heraus, aus dem das Sondergerichtswesen Hitlers zu erklären ist ... Die Bundestagsabgeordneten wissen überhaupt nicht, was sie mit dem 1. Strafrechtsänderungsgesetz 1951 beschlossen haben.«

Beschlossen und in Kraft gesetzt wurde ein Strafrecht, in dem es auf die Ausführung einer Tat gar nicht mehr ankam. Durch die »Vorverlegung« von Schutzvorschriften bedurfte es laut Güde »nicht der ausdrücklichen Feststellung einer konkreten Gefährdung«. Es komme auf die Gesinnung an. »Der Täter braucht subjektiv keine verfassungsfeindlichen Ziele zu verfolgen. Er braucht auch selbst keine gegen die Verfassung gerichtete Handlung begangen zu haben«, schreibt Alexander von Brünneck in »Politische Justiz gegen Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland 1949–1968«, Frankfurt/Main 1978).

Gesinnungsstrafrecht

Die reale Umsetzung dieses Gesetzeswerkes, das ja immerhin zehntausend Bundesbürger durch ihre Verurteilung vor den politischen Sonderstrafkammern betraf und rund eine halbe Million, die in die 250000 Ermittlungsverfahren involviert waren, bedrohte, hat Perels so zusammengefaßt: »Konkret bedeutet das, daß politische Meinungsäußerungen von Kommunisten, die sich inhaltlich mit der Auffassung von Menschen anderer politischer Couleur decken – in der Absage an die Atomrüstung, Kritik des Antisemitismus, der Präsentation einer roten Nelke am 1. Mai – wegen der allgemein vorausgesetzten verfassungsfeindlichen Motivation der KPD als Straftat gewertet wurden. Dieser Interpretation des politischen Strafrechts, die das Düsseldorfer Landgericht auf die ebenso problematische wie bezeichnende Formel brachte, daß allein die in verfassungstreuer Absicht getanen Äußerungen verfassungsrechtlich neutral seien, bedeutet, daß das in Artikel 3 Abs. 3 GG festgelegte Diskriminierungsverbot für politische Anschauungen für Kommunisten systematisch ausgehöhlt wurde.«

Es ist das Verdienst von Gustav Heinemann, ehemals Bundesinnenminister und Bundespräsident, Diether Posser, Heinemann-Sozius und zeitweise Innenminister in Nordrhein-Westfalen, sowie weiterer demokratischer Juristen, daß die Bundesregierung 1968 Modifizierungen des »Blitzgesetzes« von 1951 vorgenommen hat. Die Größenordnung der politischen Verfolgung mache einem Polizeistaat alle Ehre, hatte Werner Maihofer (FDP), ehemaliger Bundesjustizminister, in diesem Zusammenhang angeführt. »Rechtspolitische Korrekturen« nennt nun das Bundesjustizministerium die 1968 erfolgte Entschärfung des Gesetzes von den Bestimmungen des politischen Sonderstrafrechts gegen Kommunisten. Es sollten, begründet der oder die Beauftragte Jaath diese Maßnahme, »Hindernisse für förderliche Kontakte zwischen Menschen aus beiden Teilen Deutschlands und die notwendige Auseinandersetzung mit dem Kommunismus« beseitigt werden. Insoweit könne die Ansicht von Josef Mallmann nicht geteilt werden, »der Staat habe zu wenig gegen die damaligen ›Mißgestaltungen des Staatsrechts‹ getan.«

Von einer Rehabilitierung der Betroffenen und erst recht von einer Anerkennung des tausendfachen politischen Unrechts durch diese »Mißgestaltungen« war 1968 keine Rede. Davon will auch die heutige Bundesregierung von SPD und Bündnisgrünen nichts wissen. Sie beharrt auf ihrem Standpunkt, daß alles rechtens zugegangen sei. Die 1956 offenbarte Erkenntnis des seinerzeitigen »Kronjuristen« Adolf Arndt, der 1951 dem politischen Sonderstrafrecht zugestimmt hatte, dieses Gesetz habe sich besonders in bezug auf die »Staatsgefährdungsdelikte« als »Schlangenei« erwiesen, ist vergessen. Arndt: »Was als Schutz der Verfassung gedacht war, wächst sich zu einer Bedrohung der Freiheit aus«. Tief in einer Ablage und aus dem Gedächtnis verschwunden ist auch das Schreiben des Arbeitskreises Rechtswesen der SPD-Bundestagsfraktion vom 21. November 1990 an die Essener »Initiativgruppe für die Rehabilitierung der Opfer des Kalten Krieges«, man habe sich »dafür ausgesprochen, nach Beendigung des Ost-West-Konflikts die noch offenen Folgen des Kalten Krieges zu beseitigen und die mit diesem Konflikt verbundenen Straf- und Disziplinarverfahren zu einem befriedigenden Abschluß zu bringen«.

Verdammt auf ewig?

Dieser Abschluß steht weiter aus, und es soll wohl auch keinen geben. Es sei denn, man betrachtet die Ablehnung eines weiteren Antrags der Essener Initiative am 28. Oktober 2004 durch den Bundestag – ohne Debatte und in Abwesenheit der beiden PDS-Abgeordneten – sowie die Mitteilung, die entsprechende Petition sei abgelehnt worden, »weil keine Veranlassung bestehe, gesetzgeberisch tätig zu werden«, als einen Abschluß. Über die sonst üblichen Standardfloskeln hinaus wurde die Ablehnung nun damit begründet, man halte sich an Regelungen »für Zeiten der politischen Verfolgung im Beitrittsgebiet«, die sich »an vergleichbare Regelungen für Opfer der nationalsozialsozialistischen Gewaltherrschaft« orientieren. Das Pikante an dieser Formulierung ist, daß unter den Verfolgten und Verurteilten der politischen Justiz in der Alt-BRD nicht wenige sind, die in den Jahren 1933 bis 1945 jenen Richtern gegenübergestanden hatten, die nach 1945 reaktiviert wurden, und denen im Gefolge ihrer neuerlichen Verurteilung auch ihr Status als Verfolgte des Faschismus aberkannt wurde, während sie die bereits erhaltene Entschädigungsleistungen zurückzahlen mußten.

Das Bild rundet sich durch einen just in diesen Tagen bekannt gewordenen Beschluß des hessischen Justizministeriums, demzufolge die deutsche Rechtsgeschichte von 1933 bis 1945 nicht mehr Gegenstand der Fortbildung für Referendare sein wird. Damit wird es die seit 1997 durchgeführten Tagungen »Zur Justiz im Nationalsozialismus« nicht mehr geben.

Dankend entnommen aus: Junge Welt vom 24.05.2005 (http://www.jungewelt.de/2005/05-24/004.php).