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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
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Nazis raus aus dem Internet

 

28.05.05

Einstellung des Verfahrens gegen Ulrich Sander (VVN/BdA NRW)

Beschlagnahme des VVN-Archivs nicht aufgehoben

Gestern brachte Kontraste den aufsehenerregenden Bericht über das neuerliche Mittenwaldtreffen der Gebirgstruppe der Wehrmacht und der Bundeswehr. Seit vielen Jahren gehöre ich zu denen, die gegen diese Kriegsverbrecherverehrung protestieren und als Journalist dagegen die Aufklärung setzen.

Die Veteranen reagierten mit einem Trick, auf den die Staatsanwaltschaft hereinfiel. Diese ermittelte wegen „Amtsanmaßung“ gegen mich und meine Organisation, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten. Mir wurde „Amtsanmaßung“ vorgehalten, nachdem ich mit der Historikergruppe „Angreifbare Traditionspflege“ gemeinsam nahezu 200 mutmaßliche noch lebende Mittäter bei den Massakern der Gebirgstruppe an Griechen und Italienern im Jahre 1943 angezeigt hatte. Es waren in Mittenwald „amtliche“ Briefe aufgetaucht, in denen den mutmaßlichen Tätern die Wiederaufnahme von Ermittlungen wegen der Verbrechen angekündigt wurden. Ich hätte ja nichts dagegen gehabt, - aber die Briefe waren gefälscht, stammten nicht von mir.

Seit April 2003 wurde gegen mich ermittelt; im Dezember 2003 kam es zu einer Hausdurchsuchung meiner Wohnung und zur Durchsuchung der Räume der VVN-BdA in Wuppertal. Es wurde mein Computer vorübergehen beschlagnahmt und der Inhalt wurde kopiert. Die Kopie wurde mir nie zurückgegeben. (Lesen Sie zu dem Vorgang bitte unten die beiden Presseberichte – zwei von vielen, und lesen Sie bitte: http://www.rbb-online.de/_/kontraste/beitrag_jsp/key=rbb_beitrag_2653398.html)

Jetzt – nach über zwei Jahren - erhielt mein Anwalt folgendes Schreiben der Staatsanwaltschaft: (Staatsanwaltschaft Dortmund, Gerichtsplatz 1, 44135 Dortmund)

Ermittlungsverfahren gegen Ulrich Sander wegen Verleumdung. 155 Js 261/03

Es wird mitgeteilt, dass das Verfahren gemäß § 170 Absatz 2 der Strafprozessordnung eingestellt worden ist. Wegen der weiteren Behandlung der hier gefertigten Festplattenkopie ergeht eine gesonderte Mitteilung.
Hochachtungsvoll

Bittner, Staatsanwalt

Beglaubigt.....


Der Paragraph bedeutet: Die Staatsanwaltschaft muss das Verfahren einstellen, wenn es keinen die Anklage rechtfertigenden Verdacht gibt.

Ich stelle fest:

  1. Es hat offenbar nie einen handfesten Verdacht wegen „Amtsanmaßung“ gegeben, weshalb plötzlich – und davon war nie die Rede - auf „Verleumdung“ umgestellt wurde. Aber hätte „Verleumdung“ die Maßnahmen gegen mich und die VVN-BdA gerechtfertigt? Und ist es eine Verleumdung, gut begründete Anzeigen gegen mutmaßliche Täter zu erstatten?
  2. Noch immer halten die Staatsanwaltschaft und der Staatsschutz der nordrhein-westfälischen Polizei, und damit das Landesinnenministerium, die Festplattenkopie mit meinem gesamten Archiv und mit den Informationen der VVN-BdA zurück. Auf meine Forderung, diese Kopie mir zurückzugeben und zu erklären, dass es keine weiteren Kopien mehr gibt, reagiert die Staatsanwaltschaft auch nach 20 Monaten mit Ausweichen.

Ulrich Sander

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Aus der Frankfurter Rundschau, Dezember 2003

Staatsanwalt ermittelt gegen VVN-Sprecher

Vereinigung der Nazi-Verfolgten soll gefälschte Briefe verschickt haben / Streit über nie geahndete Kriegsverbrechen

Der NRW-Landessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), Ulrich Sander, wehrt sich gegen Vorwürfe , er habe einen Briefkopf der Staatsanwaltschaft gefälscht. Er seinerseits wirft den Ermittlern mangelndes Engagement bei der Aufklärung von Verbrechen der Wehrmacht vor.

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), am 15. März 1947 in Frankfurt von ehemaligen KZ-Häftlingen, Widerstandskämpfern und anderen Verfolgten gegründet, kämpfte gegen die Rehabilitierung von Nazis und die Remilitarisierung sowie für Entschädigungen. Mit dem Zusatz "Bund der Antifaschisten" öffnete die VVN sich 1971 Jüngeren, engagierte sich in der Friedensbewegung. Seit 2002 sind west- und ostdeutsche Verbände vereint, zählen rund 11000 Mitglieder. olk

Als völlig ungerechtfertigt und überzogen kritisierte der Dortmunder Journalist Ulrich Sander, Landessprecher der VVN in Nordrhein-Westfalen, dass Mitte der Woche seine Wohnung in Dortmund und sein Arbeitszimmer in den Wuppertaler Geschäftsräumen der VVN durchsucht wurden. Die Ermittler beschlagnahmten in der Geschäftsstelle Briefe. Aus den Privaträumen Sanders entfernten sie für zwei Tage dessen Computer.

Anlass für die Aktion war der Verdacht der Amtsanmaßung. Die Dortmunder Staatsanwaltschaft vermutet, dass Sander ein Schreiben unter Verwendung des Briefkopfes "Leiter der Zentralstelle im Lande Nordrhein-Westfalen für die Bearbeitung von Nationalsozialistischen Massenverbrechen bei der Staatsanwaltschaft Dortmund" verschickt hat. Adressiert war der Brief an eine Vielzahl von Personen, denen mit der gefälschten Unterschrift des Leiters der Zentralstelle mitgeteilt wurde, gegen sie werde wegen Mordes in Zusammenhang mit Kriegsverbrechen der Wehrmacht auf der griechischen Insel Kephalonia ermittelt.

Tatsächlich hat der Leiter der Dortmunder Zentralstelle, Ulrich Maß, im September 2001 solche Ermittlungen erneut aufgenommen. Er überprüft 4000 Männer, die unter anderem als Mitglieder des Gebirgsjägerregiments 98 dort stationiert waren. Das Regiment soll im September 1943 etwa 5000 italienische Kriegsgefangene ermordet haben. Es war eines von etwa 50 nie strafrechtlich geahndeten Massakern deutscher Gebirgseinheiten.

Oberstaatsanwalt Maß konnte die in den 60er Jahren eingestellten Ermittlungen wegen "neuer Tatsachen und Beweismittel" wieder aufnehmen. So erhielt er aus der Stasi-Akten-Behörde, von der Wehrmachtsauskunftsstelle in Berlin und aus DDR-Archiven und Tagebüchern immer wieder Hinweise auf mögliche Tatbeteiligte.

Ulrich Sander weist den Vorwurf, den Brief gefälscht zu haben, entschieden von sich: "Derartige Briefe habe ich nie versandt." Sander hat allerdings seit Jahren wegen der Wehrmachtsverbrechen in Griechenland recherchiert und wirft den Ermittlern mangelndes Engagement vor. So wertete er gemeinsam mit Historikern der Arbeitsgemeinschaft Angreifbare Traditionspflege" die Mitgliederzeitschrift der Gebirgsjägereinheit akribisch aus. Dabei stieß er auf Erlebnisberichte und Anekdoten, aus denen hervorgeht, welcher Gebirgsjäger wann wo stationiert war.

"Eine Fundgrube", sagt er, "wir haben Leute gefunden, von denen wir annahmen, dass sie dabei gewesen sein müssen." Der Staatsanwaltschaft wirft er vor, statt dass sie sich dieser Verbrechen intensiv widme, "hier etwas aufzubauschen, nur um dahinter zu kommen, über welches Material die VVN noch verfügt".

Aus den Ruhrnachrichten, Jan. 2004

Die Staatsanwaltschaft hält den Vorwurf der Amtsanmaßung gegen den Landessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), Ulrich Sander, weiterhin aufrecht " obwohl bei der Durchsuchung von Sanders Wohnung vor fast sieben Wochen keine Beweise entdeckt werden konnten, die den Verdacht erhärten. Das erklärte Oberstaatsanwalt Bernd Düllmann gestern auf Anfrage der Ruhr Nachrichten.

Am 3. Dezember hatte die Polizei einen Durchsuchungs-Beschluss des Amtsgerichts vollstreckt (wir berichteten) und dabei u. a. einen Computer beschlagnahmt. Durchsucht wurden auch die VVN-Landesgeschäftsstelle in Wuppertal. "Die Auswertung der Computer-Dateien hat die Anzeige nicht erhärtet", bestätigte der Oberstaatsanwalt.

Dennoch dauern die Ermittlungen an. Laut Düllmann gebe es weitere Anhaltspunkte, die den Vorwurf der Amtsanmaßung untermauern könnten. Diese Punkte würden geprüft. Ulrich Sander hatte die von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwürfe sofort bestritten. In dem Vorgehen der Polizei sah er einen Fall von "Missachtung des Zeugnisverweigerungsrechtes", von dem er als Journalist betroffen sei. Die Staatsanwaltschaft wirft dem VVN-Landessprecher vor, mit dem Briefkopf "Der Leiter der Zentralstelle im Lande Nordrhein-Westfalen für die Bearbeitung von Nationalsozialistischen Massenverbrechen bei der Staatsanwaltschaft Dortmund" eine "Vielzahl" von Personen angeschrieben zu haben. Darin soll Sander den Adressaten angekündigt haben, dass gegen sie wegen Mordes ermittelt werde. Den Vorwurf der Amtsanmaßung weist Ulrich Sander weit von sich: Er habe gegen mehr als 200 ehemalige Mitglieder einer Gebirgsjäger-Division lediglich Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft gestellt.

In den vergangenen Wochen hatten mehrere antifaschistische Organisationen gegen das Vorgehen der Dortmunder Staatsanwaltschaft protestiert. ban