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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
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Nazis raus aus dem Internet

 

28.03.05

"Befreiung von Nazismus und Militarismus - Grundgesetz verwirklichen - EU-Verfassung verhindern"

Rede von Ulrich Sander am 26.03.2005 auf dem Ostermarsch Rheinland in Düsseldorf

Ein paar Straßen von hier entfernt sind im Parkhotel die Räumlichkeiten des Industrieclubs. Hier trafen am 26. Januar 1932 Hitler und Göring mit Großindustriellen und Bankiers zusammen.

Hitler versprach, den Marxismus und Bolschewismus auszurotten, die Gewerkschaften zu zerschlagen, die Parteien zu verbieten und demokratische Wahlen abzuschaffen. Er versprach, die Reichswehr auszubauen, aufzurüsten und "Lebensraum im Osten" zu erobern. Von nun an flossen riesige Spenden des Kapitals an die Nazipartei. Der Weg in die Nazidiktatur und in den Krieg war bereitet. Es müsste am Industrieclub, so forderte kürzlich unser Freund Jupp Angenfort, eine Tafel angebracht werden mit dem Text: "Hier bekam Hitler von Großindustriellen und Bankiers Beifall und Geld, hier wurden die Weichen zum Krieg gestellt."

1932 glaubten die meisten Menschen in Deutschland nicht, dass Hitler Krieg bedeutet. Aber der Krieg kam, mit all seinen schrecklichen Folgen.

Heute haben wir erneut Grund zu warnen: Ständig sind 10.000 Bundeswehrsoldaten im Einsatz. In kürzester Zeit können die Kontingente vergrößert werden. Im "Stern" vom 9.12.04 hat Minister Peter Struck die Deutschen zu mehr "kriegerischem Handeln" aufgerufen. Es seien "friedenserzwingende Operationen" nötig, die auch zahlreiche Todesopfern fordern, auch unter den Deutschen.

Heute, 60 Jahre nach der Befreiung von Krieg und Faschismus, haben die Friedensbewegung und alle Antifaschisten die Aufgabe, den Konsens in der Gesellschaft unter der Losung "Nie wieder Krieg und Faschismus" wiederherzustellen. Das entspräche dem Vermächtnis des deutschen Widerstandes.

Denn seitdem 1999 deutsche Bomber wieder jugoslawische Ziele anflogen, wurde diese Losung auf "Nie wieder Auschwitz" verkürzt. Es wurden zugleich wieder deutsche Angriffskriege auf die Tagesordnung gesetzt – und dies auch mittels der Neufassung der EU-Verfassungsgrundsätze für die Außenpolitik.

Noch gibt des die Artikel in unserem Grundgesetz, die besagen: Verbot des Angriffskrieges und seiner Vorbereitung, eine Armee nur zur Verteidigung, Sozialpflichtigkeit des Eigentums, Verbot des Nazismus und Neonazismus, Bekräftigung der 1945er Bestimmungen für die Befreiung von Militarismus und Nationalsozialismus.

Doch nun droht die Abschaffung dieser Bestimmungen gegen Faschismus und Krieg. "Die (EU-)Verfassung und das von den Organen der Union (...) gesetzte Recht haben Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten.“ So lautet Artikel I-6 der "Verfassung für Europa" (FR 3.11.04).

Dazu haben am Donnerstag in Dortmund auf einem internationalen Treffen mit Teilnehmern aus sechs Ländern und zwanzig deutschen Städten, in denen noch kurz vor Kriegsende viele tausend Antifaschisten ermordet wurden, rund 60 Vertreter erklärt: "Die Pläne, eine EU-Verfassung zu schaffen, welche die antifaschistischen Grundpositionen aus deutschen Verfassungstexten ablösen und abschaffen soll, müssen auf den Widerstand aller Antifaschisten stoßen.“ Und weiter: „Das Anwachsen von Antisemitismus, Neofaschismus und Rassismus in ganz Europa, vor allem aber in Deutschland, ist alarmierend. Das Vermächtnis von 1945 gebietet, dem entschlossen entgegen zu wirken."

Als sollte der Gesprächsfaden vom Industrieclub 1932 wieder aufgenommen werden, erklärte Industrieellen-Präsident Michael Rogowski (BDI) immer wieder, der Rüstungsetat müsse vergrößert werden. Die NPD, so Rogowski, sei nicht so beunruhigend wie die PDS. Das "Phänomen Rechtsextremismus" solle nicht überbewertet werden. ("Freien Presse" (Chemnitz) 20.9.04)

Was Hitler mit "Ausrottung des Marxismus" bezeichnete, wird heute "Delegitimierung des Kommunismus" (Dr. Joachim Gauck) genannt. Die EU-Verfassung erhebt als einzig zugelassenes gesellschaftspolitisches Modell den neoliberalistischen Raubtierkapitalismus zum obersten Prinzip. Wird die EU-Verfassung angenommen, so wäre dies der endgültige Sieg jener Kapitalvertreter, die 1932 im Industrieclub zusammensaßen und die Herrschaft des Kapitals für alle Ewigkeit wollten.

Die heutige Friedensbewegung erhebt die Beendigung und Verhinderung der Kriege zu ihrer Aufgabe. Und antifaschistischer Auftrag ist es, besonders die Kriegsteilnahme Deutschlands - allein schon wegen seiner Geschichte - zu verhindern.

Kriege können verhindert werden durch Abrüstung, konsequenten Antimilitarismus - entsprechend den Artikeln 83 und 26 des Grundgesetzes. In dem Sinne sollten Friedensbewegung und die gewerkschaftliche sowie Sozialbewegung zusammen handeln.

Gelänge es, den Rüstungshaushalt zu verringern, könnten die geplanten Interventionskriege Deutschlands in aller Welt nicht geführt werden.

Auch für die Demokratie gehen von der neuen EU-Militärdoktrin – auch verankert im Entwurf der EU-Verfassung - große Gefahren aus. Diese Militärdoktrin schafft die Rolle der Parlamente in der Frage von Krieg oder Frieden faktisch ab und zwingt die Mitgliedsländer zur Hochrüstung. Auf dem Gebiet der Rüstung und langfristigen Kriegsvorbereitung wollen sich Deutschland und die EU die gleichen oder ähnliche Optionen und Möglichkeiten wie die USA verschaffen.

Sie wollen ähnlich wie die USA der Welt ihren Willen aufzwingen können.

Ich möchte noch auf eine besorgniserregende geschichtliche Parallele hinweisen. Ende der 20er Jahre ging die SPD in den Reichstagswahlkampf mit der Losung "Kinderspeisung statt Panzerkreuzerbau". Nach der Wahl wurde der Panzerkreuzer A gebaut und die Kinderspeisung fiel weg. Mit dem Panzerkreuzer wurde der Krieg der Nazis geführt. Am Ende der Weimarer Zeit wurde eine ähnliche Politik des Sozialabbaus betrieben wie heute mit Hartz IV und Agenda 2010. Auch damit wurde die Republik zerstört und Faschismus und Krieg wurden möglich.

Als Lehre aus den Erfahrungen der Weimarer Zeit und des Faschismus erschien es allen Demokraten 1945 als notwendig, für die sozialen Menschenrechte zu wirken. Deshalb gibt es den Artikel 14 zur Sozialpflichtigkeit des Eigentums im Grundgesetz, und deshalb heißt es in der NRW-Landesverfassung von Nordrhein-Westfalen im Artikel 24: "... Im Mittelpunkt des Wirtschaftslebens steht das Wohl des Menschen. Der Schutz seiner Arbeitskraft hat den Vorrang vor dem Schutz materiellen Besitzes. Jedermann hat ein Recht auf Arbeit. ..."

Recht auf Arbeit und Schutz der Arbeitskraft sind demnach höchste Verfassungsaufgaben - und nicht das Recht auf Profit, das die Politiker und Wirtschaftsführer zur obersten Maxime gemacht haben. Tag für Tag wird von ihnen gegen Grundgesetz und Landesverfassung verstoßen. Doch diese Tatsache taucht in keinem Verfassungsschutzbericht auf.

Im Interessenkonflikt Profit oder Arbeiterrechte und Arbeitsplätze, bleiben letztere immer auf der Strecke. Opel in Bochum und Siemens in Bocholt und Karstadt in Essen sind der Beleg dafür: Es werden um der höchsten Profite Willen die kleinen Leute um ihren Lohn und ihre Arbeitsplätze betrogen.

Weitere zig Tausende Arbeitsplätze werden beseitigt, obgleich die Verfassung den Menschen ein Recht auf Arbeit und gerechten Lohn gibt.

Ich habe auf die Landesverfassung von NRW positiv hingewiesen. Wir haben in diesem Bundesland noch eine weitere demokratische Errungenschaft. Das ist die Spruchpraxis des höchsten Landesgerichts von NRW zum Neofaschismus. Sie lautet: "Eine rechtsextremistische Ideologie lässt sich auch nicht mit den Mitteln des Demonstrationsrechts legitimieren" (Beschluss des OVG NRW, Az 5 B B 585/01) Es ist zu fordern, überall dieses Prinzip durchzusetzen, das von höchsten Richtern des Bundeslandes formuliert wurde. Damit würde zur Wiederherstellung des Verfassungsprinzips des Artikel 139 GG beigetragen, das die 1945/46 geschaffenen Bestimmungen zur Zerschlagung von NS-Organisationen und des Militarismus auch für das Heute verbindlich regelt.

Wir alle sollen heute wieder die Steigerung des Rüstungsetats zum Segen des Kapitals bezahlen. Kriegsminister Peter Struck sagte auf die Frage nach der Bezahlbarkeit seiner Pläne: "Die Agenda 2010 wird ihre Früchte tragen und auch dem Haushalt mehr Spielraum verschaffen." (Süddeutsche Zeitung 4.2.04)

Wir sagen: Schluß mit einer solchen undemokratischen, unsozialen und friedensgefährdenden Politik! Wir fordern: Die Politik ist zu zivilisieren. Die Bundeswehr muß wieder entwaffnet werden. Eingreiftruppen sind aufzulösen. Es ist abzurüsten und die frei werdenden Mittel sind für soziale und kulturelle Zwecke zu verwenden. Von deutschem Boden darf kein Krieg mehr ausgehen!