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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

 

 

 

 

 

 

Nazis raus aus dem Internet

 

14.02.05

Die Nazis stoppen - Für ein antifaschistisches und soziales Nordrhein-Westfalen

Referat von Landessprecher Jupp Angenfort auf der Landesdelegiertenkonferenz der VVN-BdA NRW am 12. Februar 2005

Liebe Kameradinnen und Kameraden,

als die Häftlinge des KZ Buchenwald nach ihrer Selbstbefreiung 1945 ihren Schwur sprachen, hatten sie die Zukunft im Blick. Die Zukunft sollte antifaschistisch und demokratisch gestaltet werden. Heute schieben sich gegenläufige Tendenzen in den Vordergrund. Aber unser Ziel bleibt: Der Antifaschismus und seine Ideale müs­sen die Zukunft prägen, wenn Riesengefahren vermieden werden sollen.

Der Krieg muss gebannt sein. Der Faschismus darf nie wieder sein Haupt erheben. Die Menschenrechte müssen verwirklicht werden. Niemand soll Angst vor Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot und anderen sozialen Plagen haben. Das ist der Kern unseres antifaschistischen Zukunftsbildes. Diese Vorstellungen bestimmen nach wie vor unser Handeln.

In diesem Jahr 2005 begehen wir den 60. Jahrestag der Befreiung von Krieg und Faschismus. In einer Reihe von Städten ist es Tradi­tion geworden, dass an diesem Tag oder auch an dem Tag, an dem die jeweilige Stadt befreit wurde, eine Ehrung derer stattfindet, die Faschismus und Krieg Widerstand geleistet haben und umge­bracht worden sind, oder solcher Opfer des Faschismus wie Kriegs­gefangene oder Zwangsarbeiter, die auf unseren Friedhöfen ruhen. Wir sollten diese Tradition nicht einschlafen lassen, sondern im Gegenteil, die Initiative ergreifen, um – wenn möglich gemeinsam mit anderen demokratischen Organisationen – solche Ehrungen, die immer mit der Vermittlung geschichtlicher Erfahrungen verbun­den sind, zu veranstalten.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, hat in Yad Vashem, dem Gedenkort in Israel, gesagt, es komme darauf an, Verantwortung zu übernehmen, nicht nur für das Vergangene, sondern vor allem für das, was geschieht. Dem Ge­danken sollten alle Demokraten in Deutschland folgen. Es gibt vie­les, was uns beunruhigen muss.

Es vergeht kaum ein Wochenende, an dem nicht in unserem Bun­desland neonazistische Banden auf den Straßen und Plätzen auf­marschieren. Die größte Schande war, dass in Bochum eine Nazi­demonstration gegen den Bau der Synagoge durchgeführt wurde. Der Antisemitismus wurde auf die Straße getragen. Erlaubt und genehmigt wurde dieser Aufmarsch vom Bundesverfassungsge­richt. Paul Spiegel hat erklärt: „Hier fand ein Tabubruch statt.“ Un­sere Organisation hat, eingedenk der Lehren aus der Zeit des Fa­schismus, dagegen protestiert. Dank allen Kameradinnen und Ka­meraden, die dazu beigetragen haben, dass eine beachtliche Pro­testaktion gegen den Naziaufmarsch stattfand. Das Bundesverfas­sungsgericht hat in einer Stellungnahme die Parolen der Nazis „missliebige Meinung“ genannt, die zu dulden sei. Wir protestieren dagegen. Wir unterstützen die Feststellung des Oberverwaltungs­gerichts Münster in Nordrhein-Westfalen, das festgestellt hat: „Eine rechtsextremistische Ideologie lässt sich auch nicht mit den Mitteln des Demonstrationsrechts legitimieren.“ (Beschluss des Oberver­waltungsgerichtes NRW, AZ 5BB585/01) Wir verlangen, dass dies das Prinzip aller Behörden in unserem Lande wird.

Wir betonen: Auch der Artikel 139 des Grundgesetzes, der be­stimmt, dass die alliierten und deutschen Bestimmungen gegen den Nationalsozialismus nach wie vor Gültigkeit haben, verlangt das Verbot sowohl aller neonazistischer Organisationen und Grup­pierungen als auch der Demonstrationen der Neonazis.

Es ist beunruhigend, dass der Artikel 139 des Grundgesetzes in wachsendem Maße missachtet wird. Ich möchte auf folgende Tat­sache hinweisen: Als die Bundesrepublik Mitglied der UNO werden wollte und als die UNO vorher danach fragte, wie man es denn mit dem Neonazismus und neonazistischen Organisationen halte, hat die damalige Bundesregierung vor der UNO folgendes erklärt: „Das ausdrückliche Verbot von neonazistischen Organisationen und gleichfalls die Vorbeugung gegenüber neonazistischen Tendenzen folgen aus dem Grundgesetz mit der Wirkung, dass die von den al­liierten und deutschen Stellen erlassene Gesetzgebung zur Befreiung des deutschen Volkes von Nationalsozialismus und Militarismus weiterhin in Kraft ist.“ Wir fordern die Einlösung dieser Zusage an die UNO!

Wenn der Neonazismus zurück gedrängt werden soll, wenn der Frieden gesichert und Völkerfreundschaft voran gebracht werden sollen, dann verlangt das, dass im Interesse einer solchen Zielset­zung gemeinsam gehandelt wird, über weltanschauliche und viele politische Unterschiede hinweg. Eben darauf sollten wir Antifa­schistinnen und Antifaschisten orientieren und sollten dazu unseren Beitrag leisten.

Wir treten für antifaschistische Bündnisse ein, aus denen niemand ausgegrenzt wird. Es darf kein Monopol auf Antifaschismus geben. Jede Lebenserfahrung, jede Überzeugung, die zu antifaschisti­schem Handeln führt, verdient Respekt. In ganz besonderem Maße sollten antifaschistische Bündnisse offen sein für die Gewerk­schaften, für ihre Mitglieder. Die Einheitsgewerkschaften, die wir heute in Deutschland haben, sind aus den Erfahrungen der Nazi­zeit entstanden. Sie sollten ein besonders wichtiger Faktor im Le­ben der Bundesrepublik bleiben. Ihre Handlungsfähigkeit und ihr antifaschistisches Engagement sind mit entscheidend für die Per­spektive einer von Neonazismus, Rassismus und Ausländerfeind­lichkeit freien Bundesrepublik.

Liebe Kameradinnen und Kameraden,

die Älteren unter uns erinnern sich daran, dass die Nazis zu Hass und Gewalt erzogen haben. In der Hitlerjugend wurde schon vor der Reichspogromnacht 1938 ein Lied gesungen, in dem ein Vers hieß: „Erst wenn das Judenblut vom Messer spritzt, dann geht’s noch mal so gut.“ Die Folgen kennen wir. Zahllose Juden wurden schließlich umgebracht, mit Zyklon B vergast.

Es gibt heute Neonazi-Bands, die in dieser Tradition der Hitlerfa­schisten tätig sind und ihre CDs mit entsprechenden Songs vor al­lem unter der Jugend verbreiten, zumeist so unter dem Ladentisch. Ich will einmal einen solchen Song der Neonazi-Band „Weiße Wölfe“ aus Arnsberg vortragen. Für das schlechte Deutsch bin ich nicht verantwortlich. Der Text geht so:

„Die miesesten Gammler,
dreckigsten Schuchen wollen nicht ackern,
die wollen nicht kuschen.
Es gibt nur ’ne Lösung für diese Figuren,
ins Arbeitslager, da müssen sie spuren.“

Refrain:

„Ihr tut unserer Ehre weh,
unsere Antwort Zyklon B.

Schau dich nur um in diesem Land,
Kommunisten reichen sich die Hand.
Deutsche, die auf der Straße krepieren
Und Kanacken frei in Solingen marschieren.

Ref.

Wartet, ihr Brüder, wir kommen wieder,
schlagen das rote Gesindel hernieder.
Wartet, ihr Brüder, jetzt kommt die Rache,
Juda verrecke und Deutschland erwache.

Ref.

Und haben wir die alleinige Führung,
dann weinen viele, doch nicht vor Rührung.
Für unser Fest ist uns nichts zu teuer,
zehntausend Juden für ein Freudenfeuer.“

Und dann erneut der Refrain:
„Ihr tut unserer Ehre weh,
unsere Antwort Zyklon B.“

Ich habe im Auftrag unserer Landesorganisation gegen Mitglieder der Neonazi-Bands „Oidoxie“ und „Weiße Wölfe“ im März 2003 bei der Staatsanwaltschaft Dortmund Strafanzeige erstattet. Be­weisstücke habe ich mitgeliefert. Ich erhielt am 13. März 2003 die Antwort der Staatsanwaltschaft, dass meine Anzeige eingegangen sei und bearbeitet werde. Es sind nun fast zwei Jahre vergangen. Ich erlaube mir die Frage an die Staatsanwaltschaft Dortmund: Wann endlich wird ein Prozess stattfinden?

Hier gibt es nun einen Lichtblick. Am 28. Januar teilten die Medien mit, dass Anklage zu einem Teil unserer Vorwürfe erhoben wurde. Hoffentlich können wir nach dem Prozess – für den es noch keinen Termin gibt – sagen: Was lange währt wurde endlich gut.

Liebe Kameradinnen und Kameraden,

uns müssen die Wahlergebnisse für neonazistische Parteien Sor­gen bereiten. Die als Beruhigung gedachte Auffassung vieler Politi­ker, die neonazistischen Parteien bekämen ja bei Wahlen nur we­nige Stimmen, ist allerspätestens seit dem 19. September 2004 durch die hohen Stimmengewinnen von NPD und DVU bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg widerlegt. Mit den jetzt zu erwartenden staatlichen Millionenzuschüssen können sie weiter ihre Hetze betreiben.

Es gibt für den Stimmenzuwachs bei den neonazistischen Parteien und Gruppierungen eine Reihe von Gründen. Da ist die Tatsache, dass aus der Mitte der Gesellschaft ausländerfeindliche Parolen kommen. Die Parole „Das Boot ist voll“ stammt vom ehemaligen CDU-Innenminister Kanter. Die Parole „Die Grenze der Belastbar­keit Deutschlands durch Zuwanderung ist überschritten“ stammt vom SPD-Innenminister Schily. Die Parole „Wir brauchen weniger Ausländer, die uns ausnützen, und mehr, die uns nützen“ stammt von Günter Beckstein, CSU, bayerischer Innenminister. Durch diese Gedanken fühlen sich die Neonazis in ihrer ausländerfeindlichen Agitation bestätigt. Sie nutzen sie aus und führen sie weiter.

Ich will noch ein Zitat, ein gewerkschaftsfeindliches Zitat, anführen, das den Neonazis wunderbar in den Kram passt. Guido Wester­welle, Vorsitzender der FDP, hat erklärt, „Die Gewerkschaften müssen entmachtet werden, damit es wieder eine fortschrittliche Politik geben kann. (...) Gewerkschaften sind eine Plage für unser Land.“ (Veröffentlicht in „Neue Osnabrücker Zeitung“ am 22. 03. 2003) Ich will einen weiteren Grund für die Zunahme von NS-Stimmen benennen: Das ist der Abbau sozialer Errungenschaften. Es gibt, was den Abbau sozialer Errun­genschaften anbetrifft, geschichtliche Erfahrungen. Die Älteren unter uns haben noch die Politik mit den Notverordnungen erlebt, die im Jahre 1930 die damalige Regierung Brüning durchgeführt hat. Die Begründung war damals, die Staatsfinanzen müssten in Ordnung gebracht, die Arbeitslosigkeit bekämpft werden. Mit dieser Argumentation wurde Sozialabbau betrieben. Brüning folgte den Forderungen, welche die Großindustrie in einer Denkschrift erho­ben hatte. Unter anderem wurde das Arbeitslosengeld gekürzt, die Altersversorgung verschlechtert, die materielle Belastung der Masse der Bevölkerung erhöht, ein freiwilliger Arbeitsdienst wurde geschaffen. Die Folge war, dass die Kaufkraft der Mehrheit der Bevölkerung sank. Die Arbeitslosigkeit wurde nicht abgebaut. Sie stieg weiter. Die soziale Not wuchs. Hoff­nungslosigkeit und Verzweiflung griffen um sich. Nutznießer war die NSDAP, die Nazipartei, die hemmungslos soziale Demagogie betrieb, so wie jetzt in wachsendem Maße die neonazistischen Parteien und Gruppierungen. Übrigens haben die Nazis die Maßnahmen der Brüningschen Notverordnung nach 1933 nie zurückgenommen, entsprechend sind auch heute die Nazis keine ernsthaften Gegner von Hartz IV!

Liebe Kameradinnen und Kameraden,

Zu den Menschenrechten gehören auch die sozialen Menschen­rechte, das Recht auf Arbeit und bezahlbare Wohnung. Auf unge­hinderten Zugang zur Bildung. Wir können nicht dazu schweigen, dass die Massenarbeitslosigkeit zunimmt, dass soziale Leistungen, die in Jahrzehnten erkämpft wurden, rigoros abgebaut werden. An­tifaschismus und Bemühungen um soziale Menschenrechte gehö­ren zusammen. Und eben deswegen engagieren wir uns für sie. Wir machen zu gleicher Zeit darauf aufmerksam, welche große Verantwortung die Gewerkschaften in dieser Frage haben.

Als unsere Kameradinnen und Kameraden aus den Zuchthäusern und Konzentrationslagern zurück kamen, haben sie, wie Karl Schabrod, auch in den Parlamenten dafür gewirkt, dass die sozia­len Menschenrechte verankert werden. Der Mensch sollte im Mit­telpunkt stehen. Das Gewinnstreben sollte nicht der einzige Maß­stab des Wirtschaftslebens sein. Das war damals der Konsens. Deswegen wurde in die Landesverfassung von Nordrhein-Westfa­len der Artikel 24 eingefügt. In ihm heißt es: „... Im Mittelpunkt des Wirtschaftslebens steht das Wohl des Menschen. Der Schutz sei­ner Arbeitskraft hat den Vorrang vor dem Schutz materiellen Besit­zes. Jedermann hat ein Recht auf Arbeit. ...“ In einem Kommentar zur Verfassung heißt es, dass er mit einer Grundkonzeption Lehren aus der Geschichte zieht und programmatische Weisungen an den Gesetzgeber gebe. Es wird hervorgehoben, dass der Schutz der Arbeitskraft den Vorrang vor dem Schutz materiellen Besitzes ha­ben muss. Gäbe es einen Interessenkonflikt, so sei die Arbeitskraft als das höhere Gut anzusehen.

Wir verlangen, dass Regierung und Parlamentarier nach dieser Verfassungsbestimmung handeln.

Hier möchte ich eine Nebenbemerkung machen. Es würde eine lohnende Aufgabe derer sein, die den nächsten Verfassungs­schutzbericht des Landes schreiben, einmal aufzulisten, welche großen Wirtschaftsvereinigungen in unserem Land gegen diesen Artikel 24 der Verfassung verstoßen und somit verfassungsfeindlich handeln. Warum taucht so etwas im Verfassungsschutzbericht nicht auf?

Liebe Kameradinnen und Kameraden,

im Leben der Menschen spielt die Kommunalpolitik eine wach­sende Rolle. Hier geht es um die unmittelbaren Lebensbedingun­gen. Aber es geht auch darum, wie entscheidende Grundrechte der Verfassung mit Leben erfüllt werden. Auch darum, die Vorausset­zungen dafür zu verbessern, den menschenfeindlichen Neonazis­mus zurück zu drängen.

Unsere Landesorganisation hat unter dem Motto: „Antifaschismus ist auch kommunale Aufgabe“ dafür schon vor den Kommunal­wahlen Vorschläge erarbeitet. Ihr findet diese Vorschläge in euren Materialien.

Es geht jetzt darum, die Vorschläge und Anregungen – wie zum Beispiel die Forderung, in der jeweiligen Kommune eine gewisse Geldsumme zur Unterstützung der Arbeit antifaschistischer Initiati­ven und Organisationen bereit zu stellen – an die neu gewählten Stadt- und Gemeinderäte heran zu tragen. Es ist erfreulich, dass dies bei zwei Bezirksvertretungen in Düsseldorf Erfolg hatte.

Liebe Kameradinnen und Kameraden,

der Kerngedanke des Schwurs der Häftlinge von Buchenwald im April 1945 war: Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg. Wir erle­ben heute eine Entwicklung, die uns mit Besorgnis erfüllen muss. Angriffskriege werden wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Ich brauche nur an den Krieg gegen Jugoslawien, an dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt war, zu erinnern. Ich erinnere an den Krieg gegen den Irak und an die Pläne der Bush-Administration der USA, eventuell militärisch gegen den Iran und andere Staaten vor­zugehen. Ich glaube, es ist gut, einmal zu zitieren, was die Charta der Vereinten Nationen zum Frieden sagt. In dieser Charta, die auch für unser Land verpflichtend ist, heißt es: „Die Völker der Ver­einten Nationen sind fest entschlossen, künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren ... Bedingungen zu schaffen, unter denen Gerechtigkeit und Achtung vor den Verpflichtungen aus den Verträgen des Völkerrechts gewahrt werden können ... Die Kräfte zu vereinen, um den Weltfrieden zu wahren.“ In diesem Sinne wollen wir alles tun, um die Friedensbewegung zu stärken, um ihre Aktionen zu unterstützen. Ich denke dabei auch an den be­vorstehenden Ostermarsch.

Liebe Kameradinnen und Kameraden,

wir erleben heute eine Schlussstrichpraxis. Von der Rolle der In­dustrie bei der Vorbereitung der Machtübergabe an die Hitlerfa­schisten ist in den Erklärungen von Politikern und in den Medien so gut wie nie die Rede. Ich will einmal den Finger auf diesen Punkt legen. Wir tagen hier in Düsseldorf. Ein paar Straßen von unserem Tagungsort entfernt sind im Parkhotel die Räumlichkeiten des In­dustrieclubs. Hier trafen am 26. Januar 1932 Hitler, Göring und Röhm mit Großindustriellen und Bankiers zusammen. Hitler legte in einer Rede seine Konzeption vor. Er versprach, den Marxismus auszurotten, die Gewerkschaften zu zerschlagen, die Parteien zu verbieten und demokratische Wahlen abzuschaffen. Er versprach, die Reichswehr auszubauen, aufzurüsten und „Lebensraum im Osten“ zu erobern. Industrielle und Bankiers dankten, wie Presse und Augenzeugen berichteten, mit lang anhaltendem Dauerbeifall.

Von nun an flossen riesige Spenden an die Nazipartei. Es müsste am Industrieclub eine Tafel angebracht werden mit dem Text: „Hier bekam Hitler von Großindustriellen und Bankiers Beifall und Geld, hier wurden die Weichen zum Krieg gestellt.“

Während der Tagung im Industrieclub protestierten Düsseldorfer Arbeiter – Gewerkschafter, Kommunisten, Sozialdemokraten – ge­gen die Anwesenheit Hitlers. Sie riefen die Losung: „Hitler, das ist der Krieg.“ Sie wurden von der Polizei auseinander geknüppelt.

Unter den Arbeitern, die demonstrierten, war auch unser im letzten Jahr leider verstorbener Kamerad Werner Stertzenbach. Als die Nazis an die Macht geschoben waren, kam Werner ins Konzentra­tionslager. Jost Henkel, der Persil-Boss, der als Präsident des In­dustrieclubs Hitler eingeladen hatte, wurde Wehrwirtschaftsführer.

1932 glaubten die meisten Menschen in Deutschland nicht, dass Hitler Krieg bedeutet. Aber der Krieg kam, mit all seinen schreckli­chen Folgen. Heute haben wir erneut Grund zu warnen:

Der Aufbau der „Schnellen Eingreiftruppe“ im Rahmen der Bun­deswehr und der EU und die forcierte Aufrüstung dienen letztendlich der Kriegsvorberei­tung. Wir fordern:

Die Politik zu zivilisieren. Die Eingreiftruppe aufzulösen. Abrüsten und die frei werdenden Mittel für soziale und kulturelle Zwecke verwenden. Von deutschem Boden darf kein Krieg mehr ausgehen!

Ich möchte noch auf eine Tendenz aufmerksam machen, die un­sere Kritik hervorrufen muss. In der offiziellen Geschichtsschrei­bung – bis in die Schulbücher hinein – wird häufig der Anteil der Arbeiterbewegung am antifaschistischen Widerstand vernachläs­sigt. Wir sollten darauf hin wirken, dass die Worte Ernst Wiecherts gebührend beachtet werden, die er 1947 schrieb. (Ernst Wiechert war katholischer Schriftsteller und selbst Häftling im KZ Buchen­wald.)

Mit Blick auf die späten Widerstandskämpfer des 20. Juli und die ebenfalls verdienstvollen aus dem Bürgertum, schrieb Wiechert: „Sie alle treten zurück hinter den langen Zügen, die aus den Hütten des armen Mannes bei Tag und Nacht ihren Todesweg antraten. Vieler Jahr­zehnte Lasten, Hunger und Qual hat der deutsche Arbeiter getra­gen, Kriegs- und Friedenslasten, aber niemals hat er eine schwe­rere getragen als in diesen zwölf Jahren. Niemals auch eine ehren­vollere, und keine Hand einer dunklen oder hellen Zukunft soll die­sen unvergänglichen Glanz von seiner Stirne wischen.“

Dank möchte ich allen Kameradinnen und Kameraden sagen, die antifaschistische Geschichtsarbeit machen, die, wie in Mülheim, Bochum, Solingen und in anderen Orten, Stadtrundgänge durch­führen. Dank den Kameradinnen und Kameraden, die in die Schu­len gehen und über die Erfahrungen des antifaschistischen Wider­standes berichten. Wir müssen aber leider feststellen, dass die Zahl der Zeitzeugen aus biologischen Gründen schnell kleiner wird. Es geht nun darum, dass Angehörige und Hinterbliebene wie auch antifaschistische Mitstreiter an ihre Stelle treten.

Es gibt noch ein geschichtsträchtiges Problem, auf das ich auf­merksam machen möchte. Noch bevor 1945 die Befreiung kam, wurden in beispiellosem Terror im Frühjahr 1945 viele tausend Na­zigegner mit in den Untergang gerissen. Sie wurden umgebracht. Sie sollten von der Mitgestaltung einer Nachkriegszeit ohne Nazis und Militaristen ausgeschlossen werden.

Wie hätte sich die Entwicklung gestaltet, wenn die Vernichtung großer Teile des Widerstandes noch in letzter Minute verhindert und nach 1945 eine echte Entnazifizierung eingeleitet worden wäre? Was waren die Pläne der ermordeten Kriegsendphasenopfer? Welches Vermächtnis haben sie uns hinterlassen? Was wurde davon wahr, was nicht?

Das Internationale Rombergpark-Komitee, unterstützt von der VVN-BdA in unserem Land, plant für 2005 die Kontaktaufnahme zu Gruppen aus möglichst vielen Orten mit Kriegsendphasenopfern. Diese Kontakte sollen durch Vernetzung, durch Korrespondenzen, aber auch durch ein Treffen von Hinterbliebenen und ihren Mit­streitern in Dortmund hergestellt werden. Welche antifaschistischen Gruppen aus Orten mit Kriegsendphasenmorden möchten mit dem Internationalen Rombergpark-Komitee zusammen arbeiten und bei dem Treffen im März 2005 in Dortmund mitwirken? Interessenten melden sich bitte bei unserem Landesbüro. Wir hoffen, dass aus allen Städten von NRW mit Kriegsendphasenopfern zu Gründonnerstag und Karfreitag Delegationen nach Dortmund fahren.

Liebe Kameradinnen und Kameraden,

eine erfreuliche Mitteilung. Die Ausstellung „Neofaschismus in Deutschland“ ist überarbeitet, aktualisiert worden. Sie wird erneut herausgegeben von VVN-BdA, Zeitschrift „Rechter Rand“ und IG Metall. Das Vorwort im Katalog stammt von Jürgen Peters, Erster Vorsitzender der IG Metall, und Kirsten Rölke, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall. Unsere Landesorganisation wird ein Exemplar dieser Ausstellung kaufen. Es steht dann zur Verfü­gung. Wir werden auch ein Exemplar im Kleinformat kaufen, das ebenfalls ausgeliehen werden kann.

Liebe Kameradinnen und Kameraden,

wir haben in der Berichtsperiode leider zahlreiche Kameradinnen und Kameraden durch Tod verloren. Das ist ein bitterer Verlust. Dahinter stehen Schicksale von Menschen, die dem Faschismus Widerstand entgegen gesetzt haben, die all ihre Kraft der antifa­schistischen Arbeit gegeben haben. Sie sind schwer zu ersetzen. Ihr Tod trifft uns umso mehr, da wir ein Problem mit unserer Mit­gliederentwicklung haben. Wir haben in unserer Landesorganisa­tion zurzeit 1.017 Bezieher der „Antifa“, derzeit der „Antifaschistischen Rundschau“. Das ist – von Ausnahmen abgesehen – die Zahl unserer Mitglieder. Hinzu kommen Mitglieder, die aus verständlichen Gründen keine eigene „Antifa“ beziehen, Ehepartner zum Beispiel. Diese Zahl ist aber begrenzt. Vor zweieinhalb Jahren hatten wir noch 1.250 Bezieher der „Antifaschistischen Rundschau“, also ein Verlust von rund 230 Mitgliedern. Das ist zutiefst bedauerlich. Wir wollen doch wachsen. Und deswegen müssen wir verstärkt neue Mitglieder werben.

Die Erfahrungen zeigen, dass neue Mitglieder, vor allem junge Mit­glieder, in besonderem Maße dort gewonnen werden können, wo unsere Kreisorganisationen aktiv und ideenreich Öffentlichkeitsar­beit machen. So wollen wir mit Tausenden Plakaten in den Landtagswahlkampf eingreifen. Keine Nazis in die Parlamente! Bitte nehmt Euch von dieser Konferenz die Plakate mit und bezahlt sie gleich – und dann kleben wir das ganze NRW damit voll. Stoppt die Nazis.

Liebe Kameradinnen und Kameraden,

sicherlich sind wir mit vielem in unserer Tätigkeit nicht zufrieden. Und trotzdem haben wir Grund, mit Stolz auf unsere Arbeit zu blicken. Unsere Organisation ist ein politischer Faktor. Sie gibt Anstöße für die Verteidigung von Frieden und Demokratie. Sie leistet Beiträge zur internationalen Solidarität. Sie arbeitet dafür, dass die Opfer des Faschismus nicht vergessen werden. Sie setzt allen Versuchen, die Geschichte zu fälschen, die Verbrechen des Faschismus zu verharmlosen, Widerstand entgegen. Sie tritt gegen das Vergessen ein, weil nur so neue Gefahren erkannt und abge­wendet werden können, die sich aus autoritären Tendenzen und den Versuchen ergeben, wieder eine Großmachtpolitik zu betrei­ben. Unsere Organisation hat immer wieder Neofaschismus, Ras­sismus und Ausländerfeindlichkeit gebrandmarkt. Wir haben dafür gearbeitet, dass der Artikel 1 des Grundgesetzes der Bundesrepu­blik Deutschland „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ nicht zu einer Phrase wird. Unsere Organisation hat die Menschenwürde verteidigt, überall da, wo sie missachtet oder verletzt wurde. Das gehört zum Vermächtnis, das diejenigen, die dem Faschismus Wi­derstand entgegen gesetzt haben, unserer Organisation übertragen haben. Wir sehen unsere Aufgabe darin, dieses Vermächtnis weiter zu tragen.

Es bleibt dabei: Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!