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Nazis raus aus dem Internet

 

12.01.05

Sperrung rechtsradikaler Internetseiten rechtmäßig

Urteil im Präzedenzfall in Nordrhein-Westfalen/ Kritiker befürchten Dammbruch für Zensur

Von Lorenz Matzat

Die Düsseldorfer Bezirksregierung darf Internetdienst-Anbieter veranlassen, den Zugang zu Webseiten mit rechtsradikalen Inhalten aus dem Ausland zu sperren. Kritiker warnen vor dem Einzug von Zensur im Internet durch die Hintertür.

Große Worte kamen aus Nordrhein-Westfalen, um das Verbot des Zugangs zu zwei Internetseiten zu begründen: »Die Bundesrepublik Deutschland ist nach dem Zweiten Weltkrieg bewusst in antifaschistischer Tradition aufgebaut worden«, meinte die Düsseldorfer Landesregierung. Eine »wehrhafte Demokratie« müsse den »Feinden der Freiheit« den »Resonanzboden« entziehen. Dem Düsseldorfer Regierungspräsidenten Jürgen Büssow wurde kurz vor Weihnachten erneut richterlich bestätigt, dass seine Sperrungsverfügung an Zugangsanbietern für das Internet (Provider) von Anfang 2002 rechtmäßig war. Dem jüngsten Urteil war ein langwieriger Rechtsstreit vor mehreren Gerichten vorausgegangen. Im Frühjahr 2002 hatte der SPD-Politiker Büssow als oberster Medienwächter in Nordrhein-Westfalen 76 Provider in seinem Bundesland angewiesen, den Zugang zu zwei rechtsradikalen Internetangeboten in den USA zu sperren. Vor allem von dort werden laut Verfassungsschutz die rund 130 deutschen neonazistischen Internetseiten mit strafbarem Inhalt in das Netz gestellt. Gegen die Sperrverfügung hatten 16 Provider vor dem Verwaltungsgericht in Arnsberg geklagt. Sie wollten diesen Präzedenzfall verhindern, da sie den mit hohen Kosten verbundenen technischen Aufwand für die notwendige Filtertechnik scheuten. Auch hatten die Provider am Sinn der Maßnahme gezweifelt, da durch eine Sperrung nur die 08/15-Nutzer von den rechtsradikalen Inhalten fern gehalten würden. Versierte Nutzer, die gezielt solche Seiten erreichen wollten, könnten diese aber ohne großen Aufwand über Umwege erreichen. Das Gericht sah es aber als erwiesen an, dass die besagten Seiten »strafbare und unzulässige Inhalte« im Sinne des Mediendienste-Staatsvertrags darstellten.

Kritiker der Sperrung befürchten nun, dass es sich bei der Verfügung um eine Art Testballon handelt, missliebige Inhalte im Internet auszusperren. Regierungspräsident Büssow erfuhr in seinem Anliegen allerdings auch einige Unterstützung. Beispielsweise sprach sich der nordrhein-westfälischen DGB ebenfalls für eine Sperrung rechtsradikaler Seiten aus. Kurt Beck, SPD-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, regte eine Sperrung pornografischer Internetangebote an. Dagegen fragte der FDP-Politiker Hans-Joachim Otto: »Wohin soll dies alles führen? Wo hört Jugendschutz auf, wo beginnt Zensur?«

Die Initative für ein freies Internet ODEM verwies in einer Erklärung zu der Sperrung auf den fünften Artikel des Grundgesetztes, der Informationsfreiheit gewährleistet. Filtersysteme erinnerten »an totalitäre Staaten und 'Feindsenderverbote'«. ODEM machte auf Aussagen von Büssow aufmerksam, der von bis zu 6000 zu sperrenden Internetseiten gesprochen hatte. Dies wäre aber aktionistisch und kontraproduktiv, meint die Initiative. Die eigentliche Herausforderung sei, gegen die Ursachen von Hass und Gewalt auf gesellschaftlicher Ebene vorzugehen

Sollten dem Urteil in Nordrhein-Westfalen weitere Sperrverfügungen folgen, könnte ein Wettrennen bei der Überwachung des Datennetzes beginnen. Außerhalb der Grenze der Bundesrepublik kann gerichtlich gegen die Anbieter von in Deutschland strafbaren Inhalten nicht vorgegangen werden. Also müsste gefiltert oder gesperrt werden. Doch wäre es für die Anbieter der Inhalte ein leichtes, ihre Internetadressen in kürzester Zeit zu ändern. Ob Zensurmaßnahmen überhaupt den Überblick behalten und kurzfristig reagieren könnten, ist fraglich. Immerhin existieren mittlerweile weltweit über 65 Millionen Internetadressen.

Dokumentiert aus: Neues Deutschland vom 29.12.04

Das Urteil: http://www.justiz.nrw.de//RB/nrwe/ovgs/vg_arnsberg/j2004/13_K_3173_02urteil20041126.html