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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

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Nazis raus aus dem Internet

 

19.12.04

Mit Paragraph 21 Versammlungsgesetz sollen Antifaschisten zum Schweigen gebracht werden

Protest der Liga für Menschenrechte / Ossietzky-Medaille für NS-Verfolgte

Aus der Rede von Dr. Rolf Gössner

Dass die Vergangenheit noch längst nicht abgeschlossen ist, kann man auch an der Tatsache ablesen, dass die VVN nach wie vor vom Verfassungsschutz beobachtetet wird - von einem demokratisch kaum zu kontrollierenden Geheimdienst, der schon im Kalten Krieg und im Zusammenhang mit den Berufsverboten viel Unheil gestiftet hat. Wie immer man zu der lange Zeit unkritischen Haltung der VVN zur DDR stehen mag - die aktuelle Beobachtung dieser überparteilichen, dieser generationenübergreifenden antifaschistischen Organisation ist ein Skandal. Und die Begründung des Verfassungsschutzes ebenfalls: Die VVN sei "linksextremistisch beeinflusst und huldige einem orthodox-kommunistischen Faschismusbegriff. Und der Gipfel der Erkenntnis: Die VVN werfe staatlichen Institutionen regelmäßig vor, Rechtsextremisten zu begünstigen und gleichzeitig repressiv gegen Antifaschisten vorzugehen.

Hiervon kann unser Preisträger Martin Löwenberg tatsächlich ein garstig Lied singen: Er, der bereits in den 50er und 60er Jahren wegen seiner politischen Arbeit zu insgesamt 20 Monaten Gefängnis verurteilt worden war, stand im Alter von 78 Jahren wiederum vor Gericht. Wegen "Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz" verurteilte ihn das Amtsgericht München voriges Jahr zu einer Geldstrafe, weil er öffentlich dazu aufgerufen hatte, sich einem Neonazi-Aufmarsch gegen die Wehrmachtsausstellung in den Weg zu stellen. Er hielt es für legitim, sich - wie er formulierte - den "Totengräbern der Demokratie entgegenzustellen" - für ihn eine lebensgeschichtliche Verpflichtung. Doch das Gericht sah in seinem Aufruf eine "öffentliche Aufforderung zu Straftaten", nämlich die Absicht, einen nicht verbotenen Aufzug alter und neuer Nazis zu verhindern. Das Urteil ist seit September 2004 rechtskräftig. Die "Süddeutsche Zeitung" titelte daraufhin: "Ex-KZ-Häftling wegen Nazi-Protest verurteilt". Eine Polizeiangestellte wusste offenbar mit dem Kürzel KZ nichts anzufangen, weshalb sie in der polizeilichen Ermittlungsakte aus ihm einen ehemaligen "Kfz-Häftling" machte.

Löwenberg ist nicht der einzige, der wegen seines antifaschistischen Engagements verurteilt wurde. Es mehren sich seit geraumer Zeit die Anklagen gegen Menschen, die zu Antinazi-Protesten aufriefen oder sich den Nazis in den Weg stellten. Dabei gerät eine früher seltener angewandte Strafnorm mehr und mehr zu einer juristischen Keule, nämlich § 21 Versammlungsgesetz. Diese weit gefasste Norm namens "Versammlungsstörung" kann von Polizei und Staatsanwaltschaft dazu gebraucht oder auch missbraucht werden, jeglichen antifaschistischen Protest im Vorfeld zu kriminalisieren und zu ersticken. Das beeinträchtigt die Grundrechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit - nach dem Motto: Nazis darf man sich nicht ungestraft in den Weg stellen. So wird die geforderte zivilgesellschaftliche Auseinandersetzung, der gewaltfreie Protest gegen Neonazismus und Rassismus von Staats wegen behindert.

Siehe auch:

Internationale Liga für Menschenrechte