28.11.04
"Und nicht nur wegen des 60. Jahrestages 8. Mai 2005 sollten Friedens- und Antifabewegung noch enger
zusammenarbeiten"
VVN-BdA NRW schreibt dem
Kasseler Friedensratschlag
Anfang Dezember tagt wieder der bundesweite Friedensratschlag
zum Thema "Frieden durch Krieg?". Thematisiert wird u.a.
Europa, der Nahe Osten und eine gerechte Weltwirtschaft statt
neoliberale Globalisierung. Auch Peter Gingold wird dabei sein.
Trotzdem hofft Landessprecher Ulrich Sander, dass eine Verzahnung
von Antifa- und Friedensbewegung noch stärker das Programm
prägt. Hier sein offener Brief an Dr. Peter Strutynski:
An Kasseler Friedensratschlag
z.Hd. Dr. P. Strutynski
Liebe Freundinnen und Freunde,
im Namen der Landesvereinigung Nordrhein-Westfalen des Bundes der Antifaschisten VVN-BdA grüßen wir Euch und wünschen Eurem Ratschlag viel Erfolg. Es werden Vertreter/Innen von uns dabei sein. Wir erhoffen uns
gute Impulse zur Verwirklichung gemeinsamer Ziele in einer Zeit, in der Antifaschistinnen und Antifaschisten und die Friedensbewegung - welcher sonstigen politischen und weltanschaulichen Herkunft auch immer - große
Verantwortung tragen für die Entwicklung unseres Landes.
Wir freuen uns, dass Ihr Peter Gingold als Redner fürs Plenum gewonnen
habt. Es wäre allerdings gut, wenn auch eine Arbeitsgruppe mit ihm arbeiten
würde und sein Thema aufgreifen würde. Es vergeht kaum ein Tag und kein Wochenende, an dem nicht in unserem Bundesland faschistische Banden auf den Straßen und Plätzen
aufmarschieren. Die V-Leute-Praxis gerade des NRW-Verfassungsschutzes hat zur Stärkung des Neonazismus und zur faktischen Bestandsgarantie für die NPD geführt.
Gefahr aber droht nicht nur durch ein Erstarken des Rechtsextremismus sondern
auch durch weitere Fehlentwicklungen auf staatlicher Ebene: Fortschreitender Demokratieabbau, Otto Schilys beharrlicher Umbau des Rechtsstaates, Tolerierung faschistischer Umtriebe bis hin zur skandalösen Duldung des Neonazi-Marsches gegen den Synagogenbau in Bochum und zu antisemitischen Aktionen ausgerechnet am Jahrestag der Reichspogromnacht. Schließlich die neue Europaverfassung: Sie bedeute den "Abschied vom Grundgesetz" und Festschreibung des neoliberalen Kurses und der Militarisierung der Innen- und Außenpolitik. Die Rechtsentwicklung manifestiert sich auch in der Bundeswehr. Sie übt Folter ein und praktiziert sie - das ist kein Ausrutscher, sondern Ausdruck der Aggressivität der Bundeswehr mit ihren weltweiten Einsätzen. Wir dürfen nicht nachlassen, diese Entwicklung zu bekämpfen. Und nicht nur wegen des 60. Jahrestages 8. Mai 2005 sollten Friedens- und Antifabewegung noch enger zusammenarbeiten. Unsere Organisation konzentriert sich im Jahr des 60. Jahrestages der Befreiung von Krieg und Faschismus, das ja auch ein Landtagswahljahr ist,
auf folgende nächste Ziele:
- Durchsetzung des Prinzips höchster NRW-Richter gegen die juristische Verharmlosungstaktik der Justiz des Bundes und der Innenminister im Bund
und in NRW; das Prinzip lautet: "Eine rechtsextremistische Ideologie lässt
sich auch nicht mit den Mitteln des Demonstrationsrechts legitimieren"
(Beschluss des OVG NRW, Az 5 B B 585/01).
- Wiederherstellung des Konsens in der Gesellschaft unter der Losung "Nie wieder Krieg und Faschismus" entsprechend dem Vermächtnis des deutschen Widerstandes, - und dies auch als Antwort auf eine Schlussstrichpraxis,
die allenfalls die Losung "Nie wieder Auschwitz" gelten lassen will und
Angriffskriege auf die Tagesordnung setzte und setzt.
- Durchsetzung wirkungsvoller kommunalpolitischer Positionen des Antifaschismus und der Friedenserziehung in den Städten und Gemeinden von
NRW, - die VVN-BdA hat dazu ihre Vorschläge vorgelegt.
- Antifaschistische und antimilitaristische Geschichtsarbeit in den
Schulen und unter der Jugend, und dies in einer Zeit, da wir auf die Zeitzeugengeneration leider fast ganz verzichten müssen und daher als Angehörige und Hinterbliebene wie auch als antifaschistische Mitstreiter
der älteren Generation ihren Auftrag zu übernehmen haben. Wir gedenken in NRW besonders der Opfer unter den ausländischen Antifaschisten und Widerstandskämpfern in den letzten Tagen des Krieges im "Ruhrkessel" von
1945 und wollen ihr Vermächtnis bewahren.
- Stärkung des Bündnisses gegen Sozialabbau und antisoziale Hochrüstung, der Bewegung der Montagsdemonstrationen und der Gewerkschaftsaktionen im Lande, denn Hartz IV und Agenda 2010 sind der Weg in eine Vergangenheit,
in der den Nazis mit ihren sozialdemagogischen Positionen einst das
Vorankommen erleichtert wurde.
In diesem Sinne hoffen wir auf eine weitere gute Zusammenarbeit mit Euch.
Mit antifaschistischen Grüßen
Ulrich Sander
Landessprecher
Programm des 11. friedenspolitischen Ratschlags am 4. und 5. Dezember 2004 in Kassel
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