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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
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Nazis raus aus dem Internet

 

26.10.04

"Er bleibt uns unvergessen als mutiger, unermüdlicher Mitstreiter für eine Welt ohne Faschismus und Krieg"

VVN-Gründungsmitglied Heinz Junge verstorben

Heinz Junge

Heinz Junge

Kurz vor Vollendung seines 90. Lebensjahres ist unser Kamerad Heinz Junge verstorben. Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten verliert in ihm ein Gründungsmitglied, dem sie viel zu verdanken hat. Schon vor der Machtübertragung an Hitler widerstand Heinz Junge als Aktivist des Kommunistischen Jugendverbandes dem deutschen Faschismus. Ab 1933 organisierte er mit seinen Genossen des KJVD und der KPD viele Widerstandsaktionen und wurde inhaftiert, u.a. bis 1935 im KZ Börgermoor. Nach weiterer illegaler Tätigkeit emigrierte er nach den Niederlanden, von wo aus er den Widerstand an Rhein und Ruhr, vor allem in seiner Heimatstadt Dortmund, mit betrieb. Nach der Besetzung der Niederlande durch Nazideutschland wurde Heinz Junge in das Konzentrationslager Sachsenhausen, später nach Mauthausen verschleppt. Nach fünfjähriger Haft wurde er am 7. Mai 1945 befreit. Er kehrte in seine Heimatstadt Dortmund zurück, begründete mit die antifaschistische Jugendarbeit und war für die FDJ Gründungsmitglied des Jugendringes. Mit seinem Namen untrennbar verbunden ist der Aufbau der Geschichtsarbeit der VVN, die Schaffung der Gedenkstätte Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933 bis 1945 in der Steinwache und die antifaschistische Aufklärungsarbeit unter der Jugend. Er war Generalsekretär des Sachsenhausenkomitees. Für die VVN-BdA hat er unschätzbar viel geleistet. Er bleibt uns unvergessen als mutiger, unermüdlicher Mitstreiter für eine Welt ohne Faschismus und Krieg.

VVN-BdA Kreisvereinigung Dortmund und Landesvereinigung Nordrhein-Westfalen

WAZ/WR und RN in Dortmund zensieren Todesanzeige

von Reinhard Junge

Mein Vater, der bekannte Dortmunder Kommunist Heinz Junge, Mitinitiator der Ständigen Ausstellung in dem ehemaligen Nazigefängnis "Steinwache" in Dortmund, ist am 21. Oktober 2004 verstorben. Eine für den 27. Oktober in Auftrag gegebene Todesanzeige, in der auch auf die politische Verfolgung in der Adenauer-Ära hingewiesen wird, haben die Anzeigenleitungen der WAZ/WR und der Ruhrnachrichten (jeweils in Dortmund) beanstandet. Die Auftraggeber wurden zu einer "Entschärfung" des Textes genötigt, damit die Anzeige überhaupt erscheinen konnte.

Im Einzelnen: Heinz Junge, 1914 geboren, hat insgesamt acht Jahre in Nazigefängnissen und -konzentrationslagern (u.a. in Sachsenhausen bei Berlin) verbringen müssen. Nach der Befreiung war er schon im Sommer 1945 Organisator der Jugendbewegung Groß-Dortmund, aus der wenig später der Stadtjugendring hervorging. In den Jahren 1959 und 1963 wurde er zweimal zu Gefängnishaft verurteilt, u.a., weil er als unabhängiger Kandidat bei den Landtagswahlen 1959 kandidieren wollte. Als Mitinitiator für die Umwandlung des berüchtigten Polizeigefängnisses "Steinwache" in ein Museum gehörte er in den 70er Jahren zu dem von der Stadt Dortmund berufenen Kuratorium, das die Ständige Ausstellung über Widerstand und Verfolgung in Dortmund projektierte. In den letzten zwei Jahrzehnten hat er als Zeitzeuge Hunderte von Besuchergruppen (Schüler, Studenten, Polizisten, Soldaten) durch das Museum geführt. Als Generalsekretär des "Sachsenhausen-Komitees für die Bundesrepublik Deutschland" genoss er internationales Ansehen und war Ehrengast bei den Gedenkveranstaltungen der Stadt Dortmund für die Opfer der Gestapomorde am Karfreitag 1945. 

In der von den Angehörigen aufgegebenen Todesanzeige sollte das politische Wirken von Heinz Junge mit zwei Sätzen gewürdigt werden. Sie lauten im Original: "Sein Leben stand im Zeichen des Kampfes für eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung, Faschismus und Krieg. Weder die Folterknechte der Nazis noch die Gesinnungsjustiz der Adenauer-Ära konnten ihn von diesem Weg abbringen."

Im Laufe des 26.10. riefen die Dortmunder Anzeigenabteilungen beider Zeitungsverlage bei dem Sohn des Verstorbenen an und ließen mitteilen, dass diese Anzeige so nicht erscheinen könne. Die Sekretärin des zuständigen Abteilungsleiters Rustemeier von WAZ/WR erklärte, ihren Chef störten die Begriffe "Gesinnungsjustiz der Adenauer-Ära" und man habe sich mit den Ruhrnachrichten darüber verständigt, eine solche Formulierung nicht zu drucken. Als der Sohn um eine Weiterleitung des Gesprächs bat, wurde ihm gesagt, Herr Rustemeier sei "außer Haus". Um ein Erscheinen der Anzeige nicht zu gefährden, bot Reinhard Junge an, die Worte "der Adenauer-Ära" durch "des Kalten Krieges" ersetzen zu lassen. Wenig später teilten die beiden Geschäftsstellen an, die ursprünglich die fragliche Annonce angenommen hatten, mit, in dieser Form könne sie gedruckt werden.

Ich finde dieses Vorgehen der Anzeigenchefs nicht nur pietät-, sondern auch instinktlos. Der Anzeigentext ist weder rassistisch noch beleidigend, sondern benutzt einen Begriff, der bei Politologen eine gängige zeitliche und politische Einordnung bestimmter Ereignisse darstellt. Unumstritten ist auch dies: Nach dem KPD-Verbot 1956 fanden Hunderte von juristisch fragwürdigen Gesinnungsprozessen gegen wirkliche oder vermeintliche Kommunisten statt, bei denen mehrere tausend Jahre Gefängnis verhängt wurden. Diese Praxis wurde erst im Rahmen der Großen Strafrechtsreform des späteren Bundespräsidenten Heinemann beendet, der in der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD (1965-1969) Bundesjustizminister war.

Diese Tatsache würdigt gerade in diesen Tagen auch die nach einem von den Nazis verfolgten Juristen benannte "Arnold-Freymuth-Gesellschaft", die alle zwei Jahre einen Preis für Personen verleiht, "die sich um den demokratischen und sozialen Rechtsstaat verdient gemacht haben". Unter Mitwirkung namhafter Juristen (so des aus Dortmund stammenden Bundesrichters Franz Josef Düwell und des amtierenden Generalstaatsanwalts am OLG Hamm, Proyer) wird dieser Preis am 21.11.2004 an Hildegard Hamm-Brücher und den Bremer Rechtsanwalt Heinrich Hannover verliehen, der in Dutzenden politischen Prozessen als Verteidiger von aus Gesinnungsgründen angeklagten Kommunisten auftrat.

In diesem Licht erscheint das Vorgehen der Anzeigenleiter bei WAZ/WR und RN nicht nur als kleinlich, sondern zeugt meiner Meinung nach auch von eklatanten politischen Bildungslücken, die man in seriösen Zeitungsverlagen nicht erwarten dürfte. 

Reinhard Junge
www.reinhard-junge.de