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17.10.04

Von den „zeitlosen militärischen Werten“

Antifaschistische Geschichtspolitik und militaristische Traditionspflege

Referat auf der Geschichts-Konferenz der VVN-BdA am 2. Oktober 2004 in Buchenwald/Weimar von Ulrich Sander

Eine Vorbemerkung

Mein Referat basiert auf Recherchen und Aktionen von antifaschistischen Aktivisten und jungen Historikern. Schon 1990 begann ich mit einer Untersuchung über Kasernennamen. Waren doch in der DDR vom letzten Verteidigungsminister Rainer Eppelmann in vorauseilendem Gehorsam sämtliche Traditionsbezeichnungen den Einrichtungen der Nationalen Volksarmee abgeschafft worden – und zwar vor dem 3. Oktober 1990 – so interessierte es mich, wie dies Problem in der nun großen BRD gelöst werden würde. Ich schrieb vor allem den 37 Kasernen, die NS-Militärgrößen als Namenpatrons hatten, ob nicht auch hier ein Neuanfang geplant sei. Bekanntlich kam es nur in drei Fällen zu Änderungen, weitere Änderungen waren nicht das Ergebnis von Einsichten, sondern von der Aufgabe bestimmter Liegenschaften durch die Bundeswehr. Eine weitere Recherche unternahm ich mit jungen Historikern aus Nordrhein-Westfalen, die zu den Massakern der Wehrmacht in Griechenland geforscht hatten. Unsere gemeinsam erzielten Forschungsergebnisse warfen die antifaschistischen Historiker und rund zehn weitere Freunde zu Pfingsten 2002 in den „Postkeller“ von Mittenwald in die militaristische Menge, die sich dort bei Bier und Schweinebraten auf ihr alljährliches Traditionstreffen der Gebirgsjäger an der Gedenkstätte für die gefallenen Kameraden auf dem Hohen Brendten vorbereiteten. Die jungen Freundinnen und Freunde stiegen auf die Stühle und riefen: „Jetzt legen wir eine Gedenkminute für Eure Opfer ein.“ Es kam zu Tumulten, die Antifaschisten wurden gewaltsam verdrängt und von der Polizei in einer Jugendherberge eingesperrt, bis das Brendten-Treffen vorbei war. In den beiden Jahren danach gingen wir sorgfältiger zu Werk. Die VVN-BdA und die antifaschistische Historikergruppe – sie heißt „Angreifbare Traditionspflege“ nach der falschen Behauptung von Edmund Stoiber über die „unangreifbare Traditionspflege“ der Männer unterm Edelweiß – holten Zeitzeugen aus den Opfergemeinden nach Mittenwald, ferner Historiker und Publizisten und veranstalteten Hearings, Protestaktionen und Mahnwachen während der Brendten-Feiern. Die Ergebnisse unserer Recherchen fanden ihren Niederschlag in zwei Büchern, die ich hiermit empfehle.1)

Teil zwei meiner Vorbemerkung befasst sich mit der Frage, warum nicht auch Ulrich de Maiziére im Film „Der Untergang“ vorkommt, ist er doch einer der ganz wenigen Überlebenden des Führerbunkers. Heute ist er Ehrenpräsident der höchst einflussreichen Clausewitz-Gesellschaft, ohne die in der Bundeswehr nichts läuft. Ulrich de Maizière war als Oberstleutnant Erster Generalstabsoffizier der Operationsabteilung des Generalstabes des Heeres, der noch in den letzten Kriegstagen unter Hitlers Treusten weilte. Er sorgte für die Arbeitsfähigkeit des „Führerbunkers“ und berichtete z.B. am 23. März 1945 dem „Führer“, dass er auch dann noch sein Regime fortsetzen könne, wenn die oberirdischen Gebäudeteile schon zerstört seien. Aus dem „Führerbunker“ wurde de Maizière dann zum Hitlernachfolger Dönitz nach Schleswig-Holstein geschickt, um dort die Operationsabteilung des Generalstabes in Gang zu halten. Nach 1945 gehörte er zu den ersten Wehrmachtsoffizieren, die am Aufbau der Bundeswehr mitwirkten, wo er dann Generalinspekteur wurde. In der „Wehrwissenschaftlichen Rundschau“ Nr. 3/64 rühmte de Maizière einst das „ständige deutsche Drängen“, das „die in Verwirklichung stehende ‚Vorwärtsverteidigung’“ der NATO und die Einflussnahme der Bundeswehr „auf Planung und Auslösung des A-Waffeneinsatzes“ erreicht habe. Bis 1980 leitete er die Clausewitz-Gesellschaft als Präsident, jetzt ist er sehr aktiver Ehrenpräsident.

*

Soweit meine Vorbemerkung - nun zu meinem Referat.

Traditionspflege basiert in allen Armeen nicht nur auf Geschichtsvermittlung. Sie basiert vielmehr auf der Auswahl von Werten aus der Geschichte, auf die sich jeweils neu verständigt wird – je nach Bedarf.

Die jetzige Regierung hat nicht nur ihr Versprechen, deutsche Außenpolitik sei Friedenspolitik und der errungene Standard an sozialer Gerechtigkeit werde beibehalten, gebrochen. Die heutige Regierungskoalition hat auch im Zuge der 1997/98er Auseinandersetzungen um „rechtsextremistische Vorkommnisse“ 2) versprochen, “das Verhältnis von Bundeswehr und Wehrmacht zweifelsfrei und verbindlich zu regeln“. 3) Klipp und klar sollte es in einem Beschluss des Bundestages heißen: „Die Wehrmacht als eine der tragenden Säulen des NS-Regimes kann keine Tradition der Bundeswehr begründen.“

Weiter wurde verurteilt „die Tendenz, die Umsetzung des Leitbildes vom ,Staatsbürger in Uniform' zugunsten einer Ausbildung von entschlossenen universellen Kämpfern zu opfern.“

An die Stelle des „Kämpfers“ gelte es, das „Leitbild des Staatsbürgers in Uniform durch eine Intensivierung der politischen Bildung, eine Verbesserung der Rechtsausbildung und eine gelebte Innere Führung in die Realität umzusetzen.“

Weiter sollte gelten: „In der Namensgebung von Kasernen und Schiffen (sehe der Bundestag) einen wichtigen Beitrag für eine glaubwürdige demokratische Traditionspflege.“ Gefordert wurde, „die gegenwärtigen Kasernen- und Schiffsnamen auf ihre zeitgemäße demokratische Leitbildfunktion hin zu überprüfen.“ Es gelte „bestehende Patenschaften zwischen Bundeswehr und ehemaligen Verbänden der Wehrmacht offenzulegen und aufzulösen“.

Weiter: Es müsse dafür gesorgt werden, „dass alle Traditionsräume den Anforderungen der Traditionsrichtlinien aus dem Jahr 1982 entsprechen und bei Nichtbeachtung die zuständigen Kommandeure zur Verantwortung gezogen werden."

Nichts dergleichen geschah.

Die der Bundeswehr seit 1982 per Traditionserlass von einem SPD-Minister verordnete Distanz zum NS-Regime und seiner „teils schuldhaft verstrickten, teils schuldlos missbrauchten“ Wehrmacht – wenn es sie je wirklich gab –, sie schwindet. Jene Grünen MdBs, die die genannten Forderungen zur militärischen Traditionspflege zum Abschluß der Arbeit des Bundeswehruntersuchungsausschusses 1998 beantragten und die dann ab Oktober des Jahres in Regierungsverantwortung Gelegenheit hatten, sie umzusetzen, – sie haben es nicht getan und nicht versucht. Bis auf eine Umbenennung von „Rot-grün“ blieb es noch bis heute bei den alten Namen der Kasernen, blieb es bei den antisemitischen und faschistischen Vorbildern wie Fritsch und Mackensen u.a.

Während das Darmstädter Signal, eine kritische Soldaten- und Offiziersgruppe, bestehend vorwiegend aus Reservisten, faktisch Hausverbot bei der Bundeswehr hat, genießen die Traditionsverbände der Wehrmacht fast alle Freiheiten.

Als die VVN-BdA zweimal zu Pfingsten in Mittenwald Gäste aus den Orten in Griechenland und anderen Ländern eingeladen hatte, die im Krieg von der Gebirgstruppe der Wehrmacht grausam heimgesucht worden waren, da bot sie der Bundeswehr an, diese Gäste in die Kasernen der heutigen Gebirgstruppe zu entsenden. Die Divisionsleitung in Sigmaringen lehnte 2003 ab; das Ministerium entsandte stattdessen 2004 demonstrativ das vorher schon halbwegs in Frage gestellte Musikkorps der Bundeswehrgebirgstruppe aus Garmisch-Partenkirchen und ließ einen Kranz des Bundesverteidigungsministers am Denkmal der Gebirgsjäger, unter ihnen viele Kriegsverbrecher, niederlegen. Gleichzeitig sind Minister, Botschafter und Konsuln unterwegs, um Kränze an Massakerorten niederzulegen, und der Kanzler eilt sogar nach Warschau und zum D-Day.

Doch das jährliche Treffen des berüchtigten völkisch-nationalistischen Kameradenkreises der Gebirgstruppe, in dem sich zahlreiche mutmaßliche Täter gegenseitig ihre Unschuld beeiden, ist ein jährlicher Höhepunkt der Traditionspflege der Bundeswehr. Sie ist auf das Gestern ausgerichtet. Sie widerspricht den feierlichen Reden im Ausland und zum Gelöbnis am 20. Juli – ist aber das Eigentliche an der Traditionspflege der Bundeswehr.

Denn auch die gegenwärtige Regierung stellt das Traditionsverständnis im wesentlichen nicht in Frage, das sich innerhalb der Bundeswehr seit ihrer Gründung herausbildete.

Schon wird in der Bundeswehr die Frage erörtert, "ob eine Einsatzarmee - ohne auf die zeitgemäße Umsetzung der militärischen Erfahrungen der Wehrmacht im Sinne kritisch auswählenden Traditionsverständnisses zurückzugreifen - ihre Kampfaufträge erfüllen kann." 4) Zu einem "ganzheitlichen Bild von der Wehrmacht" zu kommen, wird gefordert. Dazu gehört es, die Wehrmacht als Vorbild für die heute kriegführende Bundeswehr zu nehmen.

*

Bereits am 3. 10. 1990 hatte die Bundeswehr das NVA-Verteidigungsministerium der DDR übernommen, und ein stellvertretender Oberkommandierender Bundeswehr-General, Werner von Scheven, versicherte den Soldaten aus Ost und West, die Bundeswehr wolle „nicht hinter den Leistungen der Wehrmacht zurückstehen“ 5)

Die tonangebenden Veteranen der deutschen Gebirgstruppe und der Fallschirmjäger aus der Wehrmacht und aus der Bundeswehr (um zwei besonders einflussreiche Eliteverbände zu nennen) verfolgen eine Traditionslinie, die besagt, die Jäger der Wehrmacht wären die Elite deutschen Soldatentums gewesen; sie hätten im Zweiten Weltkrieg nicht nur tapfer, sondern auch ritterlich unter strenger Beachtung der internationalen Gesetze und Gebräuche des Krieges gekämpft. Ähnlich verlogen argumentieren sämtliche integrierte Traditionsverbände, bestehend aus Veteranen, Reservisten und Aktive. Allenfalls seien die Wehrmachtsangehörigen sie „verstrickt“ gewesen und „missbraucht“ worden. Die beiden Wehrmachtsausstellungen über die Teilnahme der Wehrmacht am Vernichtungskrieg haben jedoch endgültig aufgeräumt mit derartigen Behauptungen.

Aber spätestens mit dem 20. Juli 1944 sei jene Offiziersbewegung auf den Plan getreten, die sowohl die Bundesrepublik als auch ihre Wehr geprägt habe; dies ist nun das neuste Argument zur Entschuldigung der Wehrmacht. Hier ist eine neue Nuance erkennbar. Während ehedem die 20.-Juli-Leute als „Eidesbrecher“, ja Verräter verfemt waren, - niemand aus dem militärischen Widerstand konnte in der Bundeswehr Karriere machen – so wird nun der 20. Juli 1944 quasi zum Gründungsdatum der Bundeswehr umgelogen. Doch wäre damit ein wirkliches Umdenken verbunden, dann hätte die Truppe sich auch Deserteure und jene als Vorbilder aussuchen müssen, die von Anfang an gegen den Krieg kämpften. Davon kann nicht die Rede sein.

Der 20. Juli wird heute von Ministern und Generälen gar als Auftrag angesehen, Regime in aller Welt zu stürzen und Länder mit Krieg zu überziehen, die nicht ins deutsche Raster passen.

Die Wehrmachtssoldaten, nicht die 20.-Juli-Leute, sondern jene, die bis zur letzten Stunde 1945 kämpften, wurden für die Bundeswehr der Systemkonfrontation gebraucht. Und so blieb ihre Tradition weitgehend unangefochten. Das ging so bis hin zur Strafvereitelung für Kriegsverbrecher. So wurden sämtliche eintausend Bundeswehrsoldaten, die wegen Wehrmachtsverbrechen unter Verdacht geraten waren, außer Strafverfolgung gesetzt. 6)

Willi Dreeßen, Leiter der Landesjustizverwaltung für die Ermittlungen gegen NS-Verbrecher in Ludwigsburg, schrieb im Jahre 2001: „Als Ergebnis bleibt, dass Zehntausende ... Zivilisten in Hunderten von Ortschaften erschossen, verbrannt, erschlagen oder grausam zu Tode gefoltert wurden. Zur Verantwortung gezogen wurde dafür niemand. Vor allem die Ermittlungsbehörden, d.h. die Staatsanwaltschaften, aber auch die Gerichte einschließlich des Bundesgerichtshofes haben durch ihre Entscheidungen zu diesem Ergebnis nicht unmaßgeblich beigetragen.“ 7) Hier möchte ich anmerken, dass die VVN-BdA und die Gruppe Angreifbare Traditionspflege die Strafbefreiungsaktionen von Justiz und Bundeswehr nicht länger widerstandslos hinnehmen. Wir haben in Archiven, auch – verdeckt - in denen der Traditionsverbände, geforscht und dabei 196 mutmaßliche überlebende Kriegsverbrecher mit Namen und Hausnummern ausgemacht und den Staatsanwaltschaften angezeigt. Gegen fünf dieser Personen soll nun vor Gerichten in Augsburg und München verhandelt werden, und aus Griechenland haben sich bei uns mögliche Nebenkläger gemeldet. Wir streiten für das Prinzip: Entschädigung der Opfer und Bestrafung der Täter. Dass letztere auch noch einige Pfeile gegen uns im Köcher haben, sei ebenfalls angemerkt. So behaupteten die angezeigten Gebirgstruppler, ich hätte ihnen gefälschte staatsanwaltschaftliche Briefe zugesandt, und die Justiz glaubt diesen Unsinn. Sie ermittelt gegen die VVN-BdA und mich als ihren Landessprecher, und unsere Computer-Inhalte wurden beschlagnahmt und bisher nicht zurückgegeben.

*

Auch die letzten Tabus schwinden.

Es sei notwendig, die „herrschenden Denkmuster“ zu verlassen, heißt es in „Information für die Truppe“ vom September/Oktober 1999. Und das geht so: Da wird den von der Wehrmacht mit Krieg überzogenen Ländern die Schuld am Krieg gegeben. Denn dies alles wird als Kriegsursache genannt: „Vor allem das Verschweigen der verheerenden Folgen des Versailler Diktats und dessen Mitursächlichkeit für 1933 und 1939, ferner die anhaltende Tabuisierung der seinerzeit höchst aggressiven Interessen- und Machtpolitik vor allem Frankreichs, Polens und der Tschechoslowakei einschließlich der von ihnen begangenen oder unterstützten massiven Verletzungen völker- und menschenrechtlicher Normen gegenüber Deutschland, zumal des Selbstbestimmungsrechts“. Revanche für die Niederlage von 1918 stellt für die Bundeswehrmedien also eine zulässige Begründung für 1933 und für den Überfall auf Polen 1939 dar. Auch die Besetzung Frankreichs und der Tschechoslowakei sind nur die Antworten auf die „Menschenrechtsverletzungen“ gegenüber Deutschen!

Eine derartige pro-faschistische Geschichtsrevision ist selten zu finden außerhalb der Neonazipublikationen.

Die Verbrechen des deutschen Faschismus habe es von 1933 bis 1941 eigentlich nicht gegeben, folgt man der „Information für die Truppe“. Die Wehrmachtssoldaten hätten sich gegen die Folgen von Versailles und gegen den „’Täter’ der bis dahin größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte“ gestellt – den Bolschewismus und Stalin also. Denn „nicht Auschwitz, sondern vor allem diese Tatsachen waren 1939/1941 der Erfahrungshintergrund der Wehrmachtsgeneration.“ 8)

Der Überfall auf die Sowjetunion hat also demnach zumindest zu Beginn seine Berechtigung gehabt, - Auschwitz als Resultat und Schlussfolgerung aus dem „Erfahrungshintergrund der Wehrmachtsgeneration“. Und dann kommt in der Bundeswehrpublikation 9) noch die ganze Litanei von den Soldaten der Wehrmacht, die nicht nur viel geleistet, sondern auch gelitten haben. (All dies in einer Besprechung eines Buches des offiziellen Militärgeschichtlichen Forschungsamtes. „Die Wehrmacht. Mythos und Realität“ heißt es. Sein Mitherausgeber Rolf-Dieter Müller wird zitiert: Man müsse wegkommen von der „Betroffenheitspflege und Opferperspektive“.)

Und so werden die Wehrmachtsgeneräle von den höchsten Bundeswehrgenerälen als Vorbilder auf den Podest gestellt. Der höchste NATO-General im Kosovo und heutige Chef der Clausewitzgesellschaft General Dr. Klaus Reinhardt sagte zu Pfingsten 2000 10): "Die ... Bundeswehr ist von Männern aufgebaut und geistig ausgerichtet worden, die als Kommandeure, als Kompaniechefs und Kompaniefeldwebel die schreckliche Erfahrung des Krieges und der Diktatur am eigenen Leib erlebt und durchlitten haben. Sie haben die Uniform wieder angezogen, um uns, der nachfolgenden Generation, das Koordinatensystem ihrer Werteordnung" weiterzugeben. Sie seien es gewesen, "die uns die zeitlosen militärischen Werte wie Pflicht, Treue, Tapferkeit und Kameradschaft vorgelebt haben."

Reinhardt: „Diese Männer waren unsere Vorbilder, und sie repräsentieren eine ganze Generation von Wehrmachtssoldaten. Sie verdienen unseren Respekt genauso wie die vielen anderen Soldaten, die aus ihrer damals begrenzten Kenntnis der Vorgänge heraus im guten Glauben ehrenhaft gehandelt und gekämpft haben.“ Reinhardt rief zur „Pflege dieser Tradition und ihrer Weitergabe an die nächste Generation“ auf.

Begrenzte Kenntnis! Das konnten sie nicht wissen, dass es nicht erlaubt ist, die Zivilbevölkerung besetzter Gebiete zu ermorden? Das war also ehrenhaft, entwaffnete Kriegsgefangene tausendfach zu erschießen? Diese Tradition soll auch noch weitergegeben werden! Und das gelingt.

*

Schon gibt es Zeichen dafür, dass die reaktionärste Militärtradition auch den künftigen Geist der Truppe bestimmt. „Neue, noch nicht veröffentlichte Daten bestätigen einen zwar nicht überraschenden, aber dennoch ernsten Verdacht: dass Offiziersstudenten - die künftige Führungselite der Bundeswehr - deutlich weiter rechts stehen als ihre zivilen Kommilitonen. Und sie sind in jüngsten Jahren noch ein Stück weiter nach rechts gerückt. ... Nach ihrer Zustimmung zu einer Liste von 14 politischen Zielen befragt, zeigten die Militärstudenten besonders konservative Überzeugungen beim Fragekomplex ‚Abwehr von Fremden’; beim Ziel ‚Abwehr von kultureller Überfremdung’ ist im Verlauf der drei Untersuchungen eine klare Bewegung nach rechts zu erkennen.“ „Die Zeit“, die diese Forschungsergebnisse präsentierte, schreibt dazu kommentierend: „Die Einstellungen dieser künftigen Truppenführer tendieren zum rechten Rand.“ 11)

Es gehört zum großen Irrtum der Gegenwart, dass Rechtsextremisten gegen den Krieg wären. Die Kriege auch der deutschen Bundeswehr mögen von rechts kritisiert werden ob der US-amerikanischen Dominanz. Doch dass der Krieg enttabuiert wurde und dass damit künftig deutsche und europäische Kriege im eigenen Interesse möglich werden, das begeistert die Rechten – von den Konservativen bis zu den Neonazis.

Zwei Formulierungen aus jener berüchtigten OKW-Erklärung vom 9. Mai 1945 sollen hier bekräftigt werden – ausnahmsweise zustimmend: Die Wehrmacht habe „für immer Unvergessliches geleistet“. Was sie leistete, „ist einmalig in der Geschichte und in der Welt.“ 

Und so soll es bleiben.

Anmerkungen

1) Ulrich Sander: »Macht im Hintergrund - Militär und Politik in Deutschland von Seeckt bis Struck«, PapyRossa Verlag 2004, 204 Seiten, 14 €, ferner „Mörder unterm Edelweiß“, herausgegeben im Auftrage des AK Angreifbare Traditionspflege von Ralph Klein, Regina Mentner und Stephan Stracke, Dokumentation des Hearings zu den Kriegsverbrechen der Gebirgsjäger 2003, PapyRossa Verlag 2004, 12,90 €.

2) Gemeint ist der Videoskandal von Hammelburg/Schneeberg, der Roeder-Skandal von der Führungsakademie und die Detmolder Überfälle von Soldaten auf Ausländer u.a.

3) Aus einem Antrag der Grünen zum Abschluß der Beratungen des Untersuchungsausschusses im Jahre 1998

4) So ein ehemaliger Leiter des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, der Brigadegeneral a.D. Dr. Günter Roth in "Der Deutsche Fallschirmjäger" 4/99.

5) „loyal“, Organ des Deutschen Reservistenverbandes, 12/1990

6) aus „Versöhnung ohne Wahrheit? Deutsche Kriegsverbrechen in Griechenland“, Mannheim/Möhnesee 2001

7) gleiche Quelle wie 6)

8) IfdT, Information für die Truppe, 9/10/99

9) IfdT 9/10-99A

10) so "Die Gebirgstruppe" des Kameradenkreises gleichen Namens im August-Heft 2000

11) Die Zeit Nr.48 vom 20.11.2003, ähnlich in IfdT, Oktober 2003