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Nazis raus aus dem Internet

 

26.09.04

"Wir sind zum gemeinsamen Handeln aufgerufen"

Rede einer Hinterbliebenen gegen den Naziaufmarsch von Hörde

Am 19. September 2004 marschierten Nazis gegen den Neubau der Moschee in Dortmund-Hörde auf.

Gisa Marschefski von der VVN-BdA, Hinterbliebene eines ermordeten Widerstandskämpfers und Generalsekretärin des Internationalen Rombergparkkomitees, hielt bei einer Demonstration gegen den Naziaufmarsch vor der Polizeiwache, in der ihr Vater misshandelt worden ist, folgende Rede:

Liebe Freundinnen und Freunde,

Werte Anwesende,

es fällt mir nicht leicht an dieser Stelle zu sprechen. Denn mein Vater Erich Mörchel und sein Bruder Karl gehören zu den von der Gestapo Hitlers gefangenen und ermordeten Frauen und Männer, die um den Karfreitag 1945 im Rombergpark, der Bittermark und auf dem Bahngelände ganz hier in der Nähe bestialisch ermordet wurden. Hier an dieser Stelle, eine bescheidene Tafel soll daran erinnern, befand sich das Gebäude, in dem die Gestapoknechte ihre unschuldigen Opfer gefangen hielten und quälten. Von hier aus und aus dem sogenannten „Auffanglager“ auf dem Gelände des Werkes Phönix, dem jetzigen Phönix Ost, wurden die Gefangenen an die Mordstätten gebracht und durch Genickschuß getötet, ohne je einen Richter, geschweige denn einen Verteidiger gesehen zu haben. Es waren Frauen und Männer, Kommunisten Sozialdemokraten, Christen und Juden. Es waren Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter aus 7 europäischen Ländern, die zur Zwangsarbeit vor allem in den Betrieben der großen Konzerne in Dortmund und dem Ruhrgebiet gepresst wurden.

Im April 1945 wurden ihre geschundenen Leiber aus den Bombentrichtern exhumiert, in den sie ihre Mörder geworfen hatten. Viele der Opfer konnten auf Grund der Misshandlungen nicht identifiziert werden.

Die Erinnerung an das, was hier im ehemaligen Gestapogebäude und an zahlreichen anderen Stellen unserer Stadt geschehen ist, darf nicht verblassen. Damit sich ähnliches nicht wiederholen kann, sind alle demokratischen Kräfte über ideologische- und Parteigrenzen hinweg gefordert, gemeinsam gegen die aktiver werdenden neonazistischen Kräfte zu handeln. Sicher sind es nicht Massen von SA-Horden, die grölend durch Hörde ziehen.

Doch gewalttätige Überfälle durch neonazistische Kräfte auf Antifaschisten und ausländische Bewohner in unserem Land nehmen zu. Es ist gefährlich und beschämend zugleich, dass unter dem Schutz der Verfassungsorgane neonazistische Kräfte, wie etwa die Kameradschaft Dortmund, mit ausländerfeindlichen Parolen zu Demonstrationen aufrufen kann.

Der geplante Moscheebau am Grimmelsiepen ist für sie Anlass, sich unter dem Motto „Nein zu Multi-Kulti“ und „Nein zu islamischen Zentren“ wiederholt zusammen zu rotten.

Mit lügnerischen Behauptungen wollen sie das friedliche Zusammenleben von Menschen verschiedenen Glaubens und verschiedener Herkunft stören.

Ausländerfeindlichkeit und Rassismus haben in unserer Geschichte schon einmal in die Katastrophe geführt. Von den Nazis wurden „Die Juden“ zum Sündenbock gestempelt, sie wurden für das Elend jenen Zeit verantwortlich gemacht.

1938 ging die Hörder Synagoge in Flammen auf, mit ihr brannten die jüdischen Gotteshäuser im ganzen Land. Von den Hörder und Dortmunder jüdischen Familien hat kaum eine den Holocaust überlebt. So wie damals gegen die Synagoge, die friedlich neben der evangelischen Kirche in Hörde stand, hetzen die Faschisten heute gegen den Moscheebau. Wir vergessen dabei nicht, dass sie erst vor ein paar Monaten Front gegen den Neubau der Synagoge in Bochum machten. Mit ihrer Hetze gegen ausländische Bürgerinnen und Bürger mißachten sie nicht nur alle bitteren Erfahrungen unserer Geschichte, sie verstossen damit auch gegen unser Grundgesetz. In seinem Artikel 1 heisst es:

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist die Aufgabe aller staatlicher Gewalt“.

Weiter heisst es im Grundgesetz:

“Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder seiner politischen Anschauung benachteiligt oder bevorzugt werden“

Und weiter heisst es:

„Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen Bekenntnisses sind unverletzlich“.

Werte Anwesende,

liebe Freundinnen und Freunde,

Sie sind dem Aufruf des Runden Tisches und des Bündnisses Dortmund gegen Rechts gefolgt.

Damit erweisen Sie nicht nur den Opfern des Faschismus, an die uns dieser Ort erinnert, die ihnen zustehende Ehre, Sie handeln auch im Sinne unserer Verfassung, was ja von den Verfassungsorganen leider nicht immer gesagt werden kann.

Lassen Sie uns, trotz Meinungsunterschiede in manchen Fragen, gemeinsam weiter arbeiten für Multi-Kult, gegen Ausländerfeindlichkeit, für eine gute Nachbarschaft und friedliches Zusammenleben und Hörde und überall.