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Nazis raus aus dem Internet

 

12.09.04, aktualisiert: 21.10.04

Es gab Widerstand – und die Verbrechen waren bekannt

VVN-BdA-Landessprecher Jupp Angenfort antwortet einer Schülerin zu Fragen über die NS-Zeit

Wir erhielten von Carola, c/o „twinkel star“, im Juni eine yahoo-Mail – leider ohne ausreichenden Absender. Wir suchen nun Carola, denn Jupp Angenfort, unser Landessprecher, hat ihren Brief beantwortet, wir konnten ihn aber nicht absenden. Er ist wie die Antwort darauf jedoch interessant für viele Schülerinnen und Schüler und daher veröffentlichen wir den Briefwechsel an dieser Stelle.

Der Brief:

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Carola und ich bin in der 9. Klasse. Unsere Deutschlehrerin hat uns eine Hausaufgabe zum Thema Nazizeit gestellt. Dabei sollen wir Menschen befragen, die diese Zeit miterlebt haben und uns deshalb authentische Berichte und Antworten liefern können. Leider waren meine Großeltern zu jung bzw. sind bereits verstorben, so dass ich sie nicht fragen kann. Daher möchte ich Sie bitten, mir die folgenden Fragen zu beantworten:

  1. Warum hat keiner versucht, die Nazis an dem zu hindern, was sie taten?
  2. Wie kann man Millionen von Menschen töten, ohne dass jemand davon etwas weiß?
  3. Wie konnten sich denn die Deutschen ganz ruhig verhalten, während die Nazis Menschen abschlachteten, und später behaupten, sie hätten von allem nichts gewusst?

Ich hoffe, sie können mit helfen und antworten mir schnellstmöglich.

Vielen Dank. Mit freundlichem Gruß

Carola

Die Antwort:

Liebe Carola,

mein Name ist Josef (Jupp) Angenfort. Ich bin einer der Landessprecher der VVN-BdA im Land Nordrhein-Westfalen. Ich bin 80 Jahre alt.

Zu 1.

Es ist ein Irrtum zu glauben, dass keiner versucht hat, den Nazis Widerstand entgegenzusetzen. Zahlreiche Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter und auch Christen haben das getan. Sie wurden von den Nazis brutal verfolgt.

Ich will ein Beispiel nennen: Karl Schabrod, von Beruf Schreiner, er lebte in Düsseldorf, verfasste und verbreitete u.a. Flugblätter, in denen dargelegt wurde, dass die Nazis und ihre Hintermänner einen Krieg vorbereiten. Karl Schabrod wurde deswegen 1934 verhaftet, vor Gericht gestellt und zu lebenslang Zuchthaus verurteilt. Bis Kriegsende 1945 war er im Zuchthaus Münster eingekerkert. Nach dem Krieg wurde Karl Schabrod Landtagsabgeordneter der KPD. Er hat u.a. an der Verfassung des Landes NRW aktiv mitgearbeitet.

Zu 2.

Die Nazis haben die Massentötung z.B. von Juden, Sinti und Roma geheimgehalten. Wenn jemand, der davon wusste, anderen Menschen Mitteilung machte, so wurde er brutal verfolgt. Trotzdem hat es mutige Menschen gegeben, die darüber berichtet haben.

Ein solcher Mensch war Eduard Schulte. Er arbeitete während des Krieges für eine deutsche Firma in Polen. Er gab erste Hinweise über die systematische Tötung von Juden an amerikanische Diplomaten. Wegen drohender Verhaftung flüchtete Schulte 1943 in die Schweiz. Dort, in Zürich, ist er 1966 gestorben. Er wurde auf dem Nordfriedhof in Düsseldorf beigesetzt. Unsere Organisation, die VVN-BdA hat beantragt, dass zu seinen Ehren eine Straße nach ihm benannt wird. Das ist am 18. 5. 1993 endlich geschehen. Die Eduard-Schulte-Straße ist im Stadtteil Bild, von der Merowingerstr. nach Südwesten.

Zu 3.

Bei Frage 2 habe ich bereits dargelegt, dass nicht alle Deutschen sich gegenüber den Verbrechen der Nazis ruhig verhielten. Aber es fehlte der Massenprotest. Der hätte, was die Juden anbetrifft, spätestens am 9. November 1938 kommen müssen, als bei der „Reichspogromnacht“ jüdische Wohnungen und Geschäfte zerstört und schon zahlreiche Jüdinnen und Juden verletzt oder sogar getötet wurden. Wenn gesagt wird (von Zeitzeugen) man habe davon nichts gewusst, dann ist das die Unwahrheit. Das Verbrechen vollzog sich in aller Öffentlichkeit.

Noch ein zusätzlicher Hinweis: Bei Frage 1 habe ich von Karl Schabrod geschrieben. Seine Tochter Klara lebt noch. Sie kann über ihren Vater und seinen Widerstand gegen die Nazis berichten. Ihre Adresse kann unter vvn-bdanrw@freenet.de erfragt werden. Aber bitte einen Absender angeben.

Mit freundlichen Grüßen

Jupp Angenfort