Dokumentiert: Stellungnahme des Bündnisses MÜLHEIM GEGEN RECHTS

Der Bombenanschlag in der Keupstraße

Genug gewartet! Oder warum wird nur in eine Richtung ermittelt?

Wer in einer Einkaufstraße wie der Köln-Mülheimer Keupstraße eine mit Nägeln gefüllte Bombe hochgehen lässt, trifft vornehmlich Migrantinnen und Migranten. Wahllos ! Türken ebenso wie Kurden, aber auch Deutsche. Linke, rechte und unpolitische Menschen ebenso wie religiöse und nicht-religiöse. Etwa 22 Menschen wurden, einige darunter schwer, bei dem Bombenanschlag am 9.Juni verletzt. Was für ein krimineller Hintergrund mag das sein, der sich gegen alle Bewohner einer solch multikulturellen Straße richtet?

Einerseits beherrschten rassistische Stereotypen den Europawahlkampf und die teilweise hysterischen Debatten um "Hassprediger", "Klau-Kids", einen möglichen EU-Beitritt der Türkei und das sogenannte "Zuwanderungsgesetz". Andererseits schüren neofaschistische und rechtspopulistische Parteien mit rassistischen Parolen den Hass gegen alles Nicht-Deutsche und wollen einen Keil in unser Veedel schlagen. Gibt es nicht schon genug deutsche "Hassprediger"??

Auch in Mülheim haben diese Leute Spuren hinterlassen. Auf der Wand einer Moschee im Westen Mülheims wurde in großen Lettern ein Hakenkreuz und "Frohe Ostern Kanaken" geschmiert, an der Fassade eines Supermarktes in der Frankfurter Straße prangt "Türken raus", auf einen Stromkasten in der Rüdesheimer Straße wurde ein Hakenkreuz und in der Adamsstraße, gegenüber einer Kirche, "Kanakenbüttel verrecke" gesprüht. Unübersehbar waren in der letzten Zeit, neben den Aufklebern der neofaschistischen "Bürgerbewegung Pro Köln" gegen den Bau von Moscheen, auch die Wahlplakate der NPD.

"Gute Heimreise" hieß es dort hämisch und zeigte eine türkische Familie mit Einkaufstaschen. Erinnert wird man da gleich an die Hetze der Nazis gegen die Juden. In Bremen stufte die Staatsanwaltschaft das Plakat als volksverhetzend ein und ließ es abhängen. Dort wurde gegen die Verantwortlichen in der Berliner NPD-Zentrale und die örtlichen Verbreiter ermittelt! In Köln hing die rassistische Hetze bis zum Ende des Wahlkampfes, weil die lokale Staatsanwaltschaft sich nicht für zuständig erklärte.

Antifaschistinnen und Antifaschisten, die die Hetzplakate in Eigenregie abhängen wollten, wurden in Köln von der Polizei eingekesselt und mit Strafanzeigen bedroht. So geschehen am 3.Juni im Stadtteil Mülheim, wo 18 zumeist junge Leute die Zivilcourage hatten, eigenständig gegen diese Hetze vorzugehen. Das Resultat der verhetzenden NPD-Werbung: Die NPD hat ihren Stimmenanteil in Mülheim bei der Europawahl mehr als verdreifacht!

Vor einem solchen politischen und gesellschaftlichen Hintergrund ist für uns ein rassistischer Bombenanschlag gegen Migrantinnen und Migranten durchaus vorstellbar.

Was aber tun die ermittelnden Behörden im Falle dieses Anschlages ? Das Bundesinnenministerium wußte zwar nichts, schloß aber sofort einen ausländerfeindlichen Hintergrund aus. Die Ermittlungen hätten weder "einen politischen oder ausländerfeindlichen Hintergrund ergeben, noch können wir es ausschließen", hieß es bei der Kölner Staatsanwaltschaft. Wer wird verdächtigt?

Schon die ersten Mutmaßungen in den Medien suggerierten - ohne konkrete Anhaltspunkte - das die Ausländer ("PKK", "Rotlicht- und Türstehermilieu") selbst die Täter sein könnten. Spekuliert wird auch über "Streitigkeiten zwischen türkischen Geschäftsleuten" und "Polizeikreise" halten eine "Auseinandersetzung im Milieu für den Grund der Tat". Werden die Menschen, die in der Keupstraße leben und Opfer wurden, jetzt zu Tätern stigmatisiert ? Die Folgen dieser Stigmatisierung spüren die Geschäftsleute in der Keupstraße schon heute.......Angst geht um.

Der von der Polizei gesuchte Täter auf dem Video sieht nicht unbedingt wie ein Türke oder Kurde aus. Wir fragen: Wurde bislang überhaupt in der wachsenden Kölner Neonazi-Szene ermittelt ? Immerhin wählten bei der Europawahl über 6000 Kölner rechtspopulistische und neofaschistische Parteien.

Oder darf nicht sein, was nicht sein darf ? Läßt man den oder die Täter jetzt laufen, um "Deutschlands Ansehen" in der Welt nicht wieder zu gefährden ? Sind seit Beginn der 90er Jahre in diesem Land nicht schon genug Menschen zum Opfer rassistischer Gewalt geworden?

1999 gingen in London in drei multikulturellen Stadtteilen Nagelbomben ähnlicher Art hoch. Drei Menschen wurden dabei getötet und über 100 verletzt. Der Täter wurde – natürlich – als "Einzeltäter" tituliert. Dabei gehörte er einer Gruppe mit dem Namen "Nationalsozialistische Bewegung" an, unterhielt Kontakte zur neofaschistischen "Britischen Nationalpartei", die über gute Verbindungen zur bundesdeutschen NPD verfügt, und wollte mit den Taten einen "Rassenkrieg" auslösen.

Wir rufen zur Solidarität mit den Opfern auf! Fordert von den Verantwortlichen, auch in der Neonazi-Szene nach dem Täter zu suchen! Die Grenzen verlaufen nicht zwischen den Nationalitäten, sondern zwischen Oben und Unten! Mülheim bleibt weltoffen!!

V.i.s.d.P: MÜLHEIM GEGEN RECHTS c/o "Cafe am Park"/"Mütze", Berliner Str. 77, 51063 Köln (Eigen-druck). E-Mail: muelheim_gegen_rechts@yahoo.de / Treff am 1. und 3.Montag im Monat um 20 Uhr dort!