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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
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Nazis raus aus dem Internet

 

23.05.04

Aktionen gegen anwachsende Zahl der rechten Kandidaturen geplant

Antifaschistische Landeskonferenz sieht in vielen Staatsanwälten Helfer für die Neonazis

Die Frage, wie der rassistischen und nationalistischen Propaganda von NPD, DVU, Reps, Schill-Partei, Pro Köln und ähnlichen Parteien entgegengewirkt werden kann, stand im Mittelpunkt der 25. nordrhein-westfälischen Landeskonferenz antifaschistischer Organisationen und Initiativen, die am Samstag in der Alten Feuerwache in Köln tagte. Die Konferenz beschloss, mit Aktionen – darunter eine Plakataktion – gegen die neonazistische Kandidaturen in der Kommunalwahl und im Europa-Wahlkampf vorzugehen. „Wir sehen eine Gefahr darin, dass die Nazipropaganda das allgemein akzeptierte politische Spektrum noch weiter nach rechts öffnet. Einige wollen das verhindern, indem sie Plakate der Nazis angreifen, d.h. entfernen. Auch wir sehen die Nazis nicht als gleichberechtigte Teilnehmer des parlamentarischen Wettbewerbs. ‚Der Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen’ steht auf unseren Transparenten. Mit unserer Plakat-Initiative wollen wir eine legale Möglichkeit des öffentlichen Protestes gegen Nazi-Propaganda eröffnen.“ Das schrieb die Konferenz in einem beschlossenen Brief an demokratische Parteien des Landes. (Siehe Kasten mit Bericht aus der Arbeitsgruppe Kommunales)

Ein weiterer Schwerpunkt der Konferenz war die Antwort auf die – wie beobachtet wurde – verstärkte faktische Hilfe von Behörden für das Wirken neofaschistischer Kräfte. Dazu wurde festgestellt, dass sich der Schwerpunkt derartiger Bemühungen des Schutzes für die vom Bundesverfassungsgericht zur „missliebigen Meinung“ verharmlosten neofaschistischen Umtriebe von der Polizei und dem Inlandgeheimdienst VS auf die Justiz, vor allem die nordrhein-westfälischen Staatsanwaltschaften verlagert hat. Die Staatsanwaltschaften vieler Städte ermitteln mit höchstem Eifer gegen Personen, die alte Nazis als „Kriegsverbrecher“ beleidigt haben sollen, oder gar gegen solche, die den Begriff „Nazis“, den sich die Neofaschisten immer mehr zu eigen machen, auf diese anwenden. So wurden bei Antifaschisten im Aachener Raum und in Dortmund Hausdurchsuchungen durchgeführt und umfangreiche Computerdateien durch die Staatsanwaltschaften beschlagnahmt, um dann wegen Beleidigung, ja sogar wegen „Beihilfe“ zur Beleidigung zu ermitteln. Sarkastischer Zwischenruf: „Wann kommt es zu Hausdurchsuchungen wegen Verdachts auf Falschparken?“

Braune Kandidaturen und antifaschistische Gegenwehr

Bericht aus der Arbeitsgruppe Kommunales – Weiteres Treffen im August geplant

Nach dem Wegfall der Fünf-Prozent-Klausel rechnen neofaschistische Parteien und Organisationen mit einer erfolgreichen Teilnahme an den nordrhein-westfälischen Kommunalwahlen am 26. September 2004, so dass mit einer Vielzahl rechter Kandidaturen zu rechnen ist. Bereits 1999 ist es einer Anzahl von Vertretern der REPs, DVU und NPD gelungen, in die kommunalen Vertretungen einzuziehen.

Die Teilnehmer der 25. antifaschistischen Landeskonferenz in NRW berieten über die Möglichkeit einer antifaschistischen Intervention im Vorfeld der Wahlen. In Berichten zur Situation in verschiedenen Städten wurde deutlich, dass sich die örtlichen Bedingungen zum Teil gravierend unterscheiden. Zwar dürften überwiegend die drei rechten Wahlparteien (NPD, DVU, REPs) – zum Teil auch konkurrierend zueinander – antreten. Mit der „Bürgerbewegung pro Köln“ um Manfred Rouhs und Markus Beisicht und der „Lemmer-Liste/UWG“ in Düsseldorf des langjährigen Rechtsrock-Unternehmers Torsten Lemmer planen aber auch parteiunabhängige rechte Listen eine Kandidatur. Vor allem „pro Köln“ ist es nach Einschätzung von Teilnehmern gelungen, sich relativ erfolgreich als rechts-konservative Alternative zu den bürgerlichen Parteien zu inszenieren. Und dies trotz der von „pro Köln“ praktizierten Zusammenarbeit mit NPD und den so genanten „freien Kameradschaften“.

Endgültige Klarheit darüber, wo tatsächlich welche neofaschistischen Organisationen kandidieren werden, wird indes erst Anfang August bestehen. Bis dahin können bei den jeweiligen Wahlleitern Wahlvorschläge eingereicht werden, über deren Zulassung dann der zuständige Wahlausschuss entscheidet. Neben dem direkten Eingreifen beim Auftreten von Neofaschisten im Wahlkampf und die Aufklärung über deren Ideologie bieten die Wahlausschüsse einen von vielen Ansatzpunkten für eine Intervention seitens der Antifaschisten. In der Form von offenen Briefen kann beispielsweise die Forderung an die Mitglieder der Ausschüsse erhoben werden, die Neonazis nicht zur Wahl zuzulassen. Dort, wo linke Parteien antreten, sollte darauf hingearbeitet werden, dass diese Antifaschismus zu einem zentralen Thema ihres Wahlkampfes machen. Angeregt wurde weiterhin, in Stadtteilen mit erwartungsgemäß hohem Anteil von rechten Wählern antifaschistische Arbeit direkt vor Ort zu leisten.

Weitgehende Übereinstimmung bestand darin, dass es nicht ausreicht, nur die rechten Parteien zu bekämpfen. Um langfristig erfolgreich zu sein, müsse man sich vor allem mit den auch in der „Mitte“ der Gesellschaft vorhandenen rassistischen und rechtslastigen Einstellungen auseinandersetzen. Deutlich wurde, dass es keine Patentrezepte für den Umgang mit den unterschiedlichen Spielarten neofaschistischer Kandidaturen gibt. Deshalb wird ein weiterer Austausch zwischen Vertretern aus betroffenen Städten unter Berücksichtigung der bis dahin gesammelten Erfahrungen bei der Auseinandersetzung mit den Neofaschisten vor Ort im August stattfinden.

Dominik Clemens

Zugleich werden, so wurde berichtet, von der Polizei geduldete antifaschistische Aktionen gegen Rechtsextremisten als „Störung zugelassener Versammlungen“ von Staatsanwaltschaften verfolgt. Die Konferenz beschloß, dagegen auch mit öffentlichen Protestkundgebungen am Sitz von Staatsanwälten vorzugehen und die Öffentlichkeit verstärkt über die „staatliche AntiAntifa“ aufzuklären, wie es ein Konferenzteilnehmer benannte.

Es wurde mehrfach auf der Konferenz, an der rund 100 Aktivisten aus dem ganzen Bundesland NRW teilnahmen, von Kommunalpolitikern, Gewerkschaftsfunktionären, Richtern und Rechtsanwälten bedauernd festgestellt, dass die gegenwärtigen Kampagnen für Frieden und gegen Sozialabbau zu wenig das notwendige Ringen um den Erhalt der Verfassung und der Demokratie thematisierten. Die geplante EU-Verfassung sei ein Instrument der Torpedierung des deutschen Grundgesetzes mit seinen Friedens- und Völkerrechtspositionen, die es zu verteidigen gelte. An der Antisemitismuskonferenz der OSZE, die kürzlich in Berlin stattfand, wurde kritisiert, sie habe den Anschein erweckt, der Antisemitismus sei ein Problem vor allem der ehemaligen sozialistischen Länder. Damit wurde vom hiesigen gefährlich anwachsenden Rechtsextremismus und Antisemitismus abgelenkt, so der Sprecher einer der vier Arbeitsgruppen.

Rechtsanwalt Eberhard Reinecke aus Köln, Hauptreferent der Konferenz, zog trotz aller Besorgnis erregenden Entwicklungen ein optimistische Fazit: „Seht auch, dass die staatlichen Apparate keine monolithischen Blöcke sind, die nur den Rechten helfen. Greift ein, nutzt die Möglichkeiten, wehrt euch auch gegenüber Justiz und Polizei. Pocht auf die Grundrechte der Verfassung.“

Ulrich Sander