Logo VVN/BdA NRW

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

 

 

 

 

 

 

Nazis raus aus dem Internet

 

08.05.04

Die Lehren des 8. Mai

Reden zum heutigen Gedenktag in Dortmund

Am heutigen 8. Mai hat das Bündnis gegen Rechts, Dortmund unter dem Motto "8. Mai: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg! Keine Räume und Plätze den Nazis! - Bye bye "Buy or die"!" eine antifaschistische Demonstration durchgeführt: Im folgenden dokumentieren wir die Reden:

Rede von Ulrich Sander, Landessprecher der VVN-BdA NRW, vor dem Nazi-Laden Buy or die, dessen Schließung gefordert wird: Die Lehren des 8. Mai

Manche klugen Leute sagen: Wer sich nicht erinnern will, läuft Gefahr, es erneut zu erleiden. Also erinnern wir uns. Heute vor 59 Jahren schwiegen endlich die Waffen. Faschismus und Krieg kosteten die Menschheit 55 Millionen Tote, darunter sechs Millionen Juden und 20 Millionen Slawen und eine halbe Million Sinti und Roma. Europa und viele Länder darüber hinaus lagen in Schutt und Asche. 

Ich gestatte mir, eines der ersten Dokumente zu zitieren, die von deutschen Antifaschisten nach dem Tag der Befreiung veröffentlicht wurden und in denen von der Schuld des deutschen Volkes und auch der Linken gesprochen wird. Denn die Befreiung war leider nicht das Werk der Deutschen, sondern der Antihitlerkoalition der Staaten und Völker, darunter vor allem die Sowjetunion. „Um so mehr muß in jedem deutschen Menschen das Bewusstsein und die Scham brennen, dass das deutsche Volk einen bedeutenden Teil Mitschuld und Mitverantwortung für den Krieg und seine Folgen trägt.“ So heißt es im Aufruf der KPD vom 1. Juni 1945. „Ihr Teil Schuld tragen auch die zehn Millionen Deutsche, die 1932 bei freien Wahlen für Hitler stimmten. ... Ihr Teil Schuld tragen alle jene deutschen Männer und Frauen, die willenlos und widerstandslos zusahen, wie Hitler die Macht an sich riß, wie er alle demokratischen Organisationen, vor allem die Arbeiterorganisationen, zerschlug und die besten Deutschen einsperren, martern und köpfen ließ. Schuld tragen alle jene Deutschen, die in der Aufrüstung die ‚Größe Deutschlands’ sahen und im wilden Militarismus, im Marschieren und Exerzieren das alleinseligmachende Heil der Nation erblickten. Unser Unglück war, dass Millionen und aber Millionen Deutsche der Nazidemagogie verfielen, dass das Gift der tierischen Rassenlehre, des ‚Kampfes um Lebensraum’ den Organismus des Volkes verseuchen konnte. Unser Unglück war, dass breite Bevölkerungsschichten das elementare Gefühl für Anstand und Gerechtigkeit verloren und Hitler folgten, als er ihnen einen gutgedeckten Mittags- und Abendbrottisch auf Kosten anderer Völker durch Krieg und Raub versprach. So wurde das deutsche Volk zum Werkzeug Hitlers und seiner imperialistischen Auftraggeber.“ Im Aufruf der KPD heißt es weiter: „Gegen den Willen eines geeinten und kampfbereiten Volkes hätte Hitler niemals die Macht ergreifen, sie festigen und seinen verbrecherischen Krieg führen können.“

Und weiter heißt es in dem Dokument: „Wir deutschen Kommunisten erklären, dass auch wir uns schuldig fühlen, indem wir es trotz der Blutopfer unserer besten Kämpfer infolge einer Reihe unserer Fehler nicht vermocht haben, die antifaschistische Einheit der Arbeiter, Bauern und Intelligenz entgegen allen Widersachern zu schmieden, im werktätigen Volk die Kräfte für den Sturz Hitlers zu sammeln, den erfolgreichen Kampf zu führen und jene Lage zu vermeiden, in der das deutsche Volk geschichtlich versagte.“ Dann wird in diesem selbstkritischen Dokument aus der Linken die Schlussfolgerung gezogen: Keine Wiederholung dieser Fehler, Schluß mit der Spaltung des schaffenden Volkes. „Keinerlei Nachsicht gegenüber Nazismus und der Reaktion.“

Und heute, wo stehen wir an diesem 8. Mai 2004?

Heute müssen Hunderte Antifaschistinnen und Antifaschisten in der „Frankfurter Rundschau“ (in einer Anzeige) feststellen, dass Politiker, Juristen und Polizei die faschistische Propaganda mit allen zu Gebote stehenden Mitteln schützen. In der Anzeige heißt es: „Die Erinnerung an den antifaschistischen Auftrag des Grundgesetzes gilt als extremistisch und verfassungsfeindlich. Die Schlussfolgerung ‚Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen’ – gezogen aus den Lehren von Krieg und Völkermord mit 55 Millionen Toten – ist angeblich mit den Prinzipien eines demokratischen Rechtsstaates unvereinbar. Nazis werden zur staatsgeschützten Spezies.“

Nach dem von staatlicher Seite in unverantwortlicher Weise herbeigeführten Scheitern des NPD-Verbotsprozesses vor einem Jahr nimmt die Tolerierung faschistischer Umtriebe immer schlimmere Formen an. Und die Beteiligung Deutschlands an Rüstung und Krieg – entgegen dem Grundgesetz – ist wieder tägliche Praxis und wichtigster Teil deutscher Außenpolitik.

Während im Zuge des neoliberalen Staatsumbaus parteienübergreifend selbst gewerkschaftliche Interessenvertretungen als einem imaginären „Gemeinwohl“ abträglich kritisiert werden – ganz im Sinne von Wilhelm II, der „keine Parteien mehr kannte“ und„nur noch Deutsche“ sah, als er den ersten Weltkrieg lostrat – sorgten der direkt gewählte Bundestagsabgeordnete Hohmann und der höchste Ausbilder des „Kommandos Spezialkräfte“, Günzel, mit der Wiederbelebung des faschistischen Feindbilds vom „jüdischen Bolschewismus“ dafür, dass die Grenzen zwischen Faschismus und ganz ordinärer Reaktion verschwimmen.

Es ist nur wenige Tage her, da wurde die Erweiterung der Europäischen Union als Einheit Europas – gar als Wiedervereinigung gefeiert. Einheit Europas? Gehören die Völker und Staaten der ehemaligen Sowjetunion, die die Hauptlast zur Befreiung Europas vom Faschismus trugen, nicht dazu? Ist Russland wieder die asiatische Steppe? Und was heißt Wiedervereinigung Europas? (Frankfurter Rundschau, 3.5.04) Was wird da wieder hergestellt? Hat es die heutige EU schon mal gegeben? Das ist ja wohl nicht gemeint. Aber erinnert sei daran, dass die Neonazis und die militärischen Traditionsverbände sehr gern von dem vereinten Europa sprechen, das es schon mal gab. Innerhalb einer Außengrenze hat es soviel Europa wie heute nur zu Zeiten des Faschismus und des Krieges gegeben. Da soll man doch wohl vorsichtig sein mit Begriffen wie Wiedervereinigung.

Seit Bundespräsident Weizsäcker vor 19 Jahren den Begriff <8. Mai – Tag der Befreiung> auch in der bürgerlichen Öffentlichkeit durchsetzte, galt es auch als selbstverständlich, an den großen Anteil der Sowjetunion an der Befreiung zu erinnern. Der 8. Mai gilt seitdem als der Tag der Niederlage Nazideutschlands, als der Tag der Befreiung vom Faschismus.

Das soll sich nun wieder ändern. Heute wendet sich die SPD gegen die Überle­gung, den Termin für die NRW-Landtags­wahl 2005 auf den 8. Mai zu legen, weil dies ein "historisch stark belastetes Da­tum", nämlich der Jahrestag „der Kapitulation der deutschen Wehrmacht" sei; die CDU hingegen erklärt, dieses Kapitulationsdatum passe ihr gut, es passe zu dem von ihr angestrebten "Machtwechsel". (siehe „Parlament“ 15./22. 3. 04) Geschichte wird gefälscht, so wie es denen da oben gerade in den Kram passt. Grund genug, sich mit dieser Zeit genauer zu befassen.

Während damals die Krupps und Thyssens im Gefängnis saßen, krempelten Gewerkschafter die Ärmel auf und begannen, die Betriebe wieder aufzubauen. Frauen waren es, die die Trümmer beiseite räumten.

Heute herrschen die Nachfolger Krupps und Thyssens, die Nachfolger jener, die Hitler bezahlten und an seinem Krieg verdienten, wieder fast unumwunden. Um ihrer Profite Willen wird heute Politik gemacht. Jene, die dieses Land wieder aufbauten, bekommen als Rentner erneut die Gier jener zu spüren, die unser Land ins Unglück stießen. Agenda 2010 nennt sich das Programm des Sozialabbaus zugunsten von Rüstung und Unternehmergewinnen. Die Arbeitslosenzahlen bewegen sich wieder auf die Größenordnungen von vor 1933 zu, und es fordert ein Innenminister Schily wieder Lösungen nach der Art jener Zeit: Pflichtdienst für junge Leute. (Westf. Rundschau 20.3.04) Verdächtige Personen will er in Schutzhaft nehmen. Der Spitzel- und Überwachungsapparat wird ausgebaut. Wer verdächtig ist, ein Terrorist zu sein, soll nach Meinung Otto Schilys per Notwehrrecht getötet werden. Die nach der Verfassung abgeschaffte Todesstrafe sah wenigstens noch ein Gerichtsurteil vor; Herr Schily kommt ohne aus. (Siehe „Spiegel“ vom 26. April 04 und FR vom 26. und 27. April.) Wohlgemerkt, ich stelle Herrn Schily von der SPD, vorher von den Grünen, nicht auf eine Stufe mit den Nazis. Aber auf die Stufe jener Konservativen, die 1933 mehrheitlich den Faschismus in die bürgerliche Ordnung einfügen wollten, darf man ihn wohl stellen. Auch solchen Leuten sagen wir: Wehret den Anfängen.

Doch was heißt schon Anfänge. Es hat mich sehr erschreckt, als angesichts des zunehmenden Antisemitismus in den „seriösen“ Kreisen und angesichts des dreisten Versuchs der Nazis, gegen einen Synagogenbau zu demonstrieren, der Landesrabbiner Dr. Brandt äußerte, „es geht nicht mehr um ‚Wehret den Anfängen’, sondern um ‚Wehret dem Durchbruch’.“ Gegen diesen Durchbruch wollen wir handeln. Bereiten wir uns gut auf den 60. Jahrestag des 8. Mai als Tag der Befreiung von Faschismus und Krieg vor – und handelt wir gegen Faschismus und Krieg.

Ula Richter im Westpark zum Auftakt der Demo 

An diesem 8. Mai, an dem wir an die Befreiung von Faschismus und Krieg erinnern, stellen wir fest: Auch 59 Jahre danach sind die Wurzeln des Faschismus nicht ausgerissen, gibt es einen Nazi-Laden an der Rheinischen Straße und planen Neofaschisten eine "Demonstration gegen Multi-Kulti" in Hörde.

Der geplante Moscheebau in Dortmund-Hörde ist Anlaß für Neo-Faschisten verschiedener Gruppierungen, zu einer Demonstration aufzurufen. Unter dem Motto "Nein zu Multi-Kulti und "Nein zu islamischen Zentren" wollen sie sich am 19. Juni in Dortmund-Hörde zusammenrotten. Mit aufhetzenden Behauptungen wie "in Hörde soll eine türkische Stadt entstehen" und "nach dem Hörder Muster werden in ganz Deutschland islamische Zentren entstehen" werben sie bundesweit im Internet für ihren Aufmarsch.

Die den Neofaschisten nahe stehende DVU, die mit 2 Vertretern im Rat der Stadt sitzt, macht aus ihrer Ausländerfeindlichkeit ebenfalls keinen Hehl. Sie will ihren Kommunalwahlkampf ganz auf Hörde ausrichten. Dort sieht sie ein "Klein-Anatholien", ein Ghetto, eine "Großmoschee" heranwachsen.

Mit ähnlicher Panikmache hetzt eine Hörder Bürgerinitiative gegen das geplante islamische Gemeindezentrum mit betreutem Wohnen für Alte und 54 Wohneinheiten, die frei vergeben werden sollen.

Diese gemeinsame Offensive von Neofaschisten und ihnen nahestehenden rechtesten Parteien und Gruppierungen ist ein Angriff auf Toleranz und Mitmenschlichkeit. Er betrifft nicht nur ausländische Mitbürger, die diskriminiert werden sollen sondern alle, die sich für ein Miteinander und gute Nachbarschaft einsetzen wollen. Das Klima eines ganzen Stadtteils soll vergiftet werden, indem Ängste und Unzufriedenheit vieler Bürger für ausländerfeindliche Propaganda mißbraucht werden soll.

Wir sagen: Nicht die Ausländer sind das Problem, sondern eine unsoziale Politik, die sowohl Ausländer als auch Inländer trifft.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Wir lehnen jede Art von religiösem Fundamentalismus ab, sei er christlich, islamisch oder jüdisch geprägt. Davon kann aber bei der Hörder islamischen Gemeinde keine Rede sei. Die Kirchen und der "runde Tisch" in Hörde sprechen von gewachsenen, gutnachbarschaftlichen Strukturen.

Unsere Geschichte mahnt!

Ausländerfeindlichkeit und Rassismus haben in unserer Geschichte schon einmal in die Katastrophe geführt.. Von den Nazis wurden "Die Juden" zum Sündenbock gestempelt, sie wurden für das Elend jener Zeit verantwortlich gemacht. 1938 ging die Hörder Synagoge in Flammen auf, mit ihr brannten die jüdischen Gotteshäuser im ganzen Land. Von den Hörder und Dortmunder jüdischen Familien hat kaum eine den Holocaust überlebt. So wie damals gegen die Synagoge, die friedlich neben der evangelischen Kirche in Hörde stand, hetzen die Faschisten heute gegen einen Moscheebau. Wir vergessen dabei nicht, daß sie erst vor ein paar Monaten Front gegen den Neubau einer Synagoge in Bochum machten.

Lassen wir nicht zu, daß sich Geschichte wiederholt: Kein Antisemitismus! Kein Antiislamismus!

Die Hetze gegen den Bau einer Moschee in Hörde und die Hetze gegen ausländische Mitbürger verstößt massiv gegen die Artikel 1, 3 und 4 des Grudgesetzes.

Artikel 1: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Artikel 3/3 GG bestimmt: Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder seiner politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.

Artikel 4/1 besagt: Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

In diesem Sinne fordern wir ein Verbot des Nazi-Aufmarsches in Hörde.

Wir rufen alle Hörder Bürger auf, sich gegen die Nazi-Provokationen zu wehren und damit kund zu tun: Nazis haben in Hörde, Nazis haben in Dortmund und auch anderswo nichts zu suchen!

Für den 19. Juni rufen wir aus den antifaschistischen Initiativen zu einer großen Demonstration auf:

Ja zur multikulturellen Gesellschaft!

Nein zu Nazipropaganda und Naziaufmärschen!

Rede von Wolfgang Richter in der Lange Straße

Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten, mein Name ist Wolfgang Richter, ich arbeite im Linken Bündnis Dortmund mit. Wir machen hier einen kurzen Stop, weil dies die Stelle ist, an der es uns vor einem halben Jahr gelungen ist, die Nazis auf ihrem Marsch durch das Westviertel zu stoppen.

Viele von Euch waren im Herbst vorigen Jahres dabei, als alte und junge Nazis in Dortmund die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht ..." in Aufmärschen, Kundgebungen und Saalveranstaltungen anpöbelten. Am liebsten hätten sie die Sache ganz verhindert. Die jungen Nazis brüllten hier wochenlang "Mein Opa war kein Verbrecher" und auch schon mal "mein Opa war kein Nazi", was ja eine wirklich komische Parole aus ihrem Munde ist. Die alten Nazis behaupteten frech, Historiker zu sein, und versuchten, ihre Vergangenheit zu leugnen, während sie sie gleichzeitig hochhielten.

In der ganzen Zeit duckten die Macher der Ausstellung ab, das Rathaus wollte mit dem Ganzen nix zu tun haben, die lokalen Medien wollten kaum Nazis in der Stadt sehen oder hören, der Staatsschutz und die Polizei hatten den Auftrag, die Auftritte der Nazis möglich zu machen und sie möglichst geräuschlos zu sichern. Der "Initiativkreis Wehrmachtsausstellung" veranstaltete in sicherer Entfernung wieder fröhliche Gegenveranstaltungen.

Alles sollte ganz harmlos aussehen - wir aber waren und sind gemeinsam gegen das Verharmlosen. Wir haben keine Ruhe gegeben, wir waren widerständig und wir haben gemeinsam die Nazis ziemlich erfolgreich gestört, behindert, zurückgedrängt. Das werden wir weiter tun.

Genau hier gab es die Blockade unter dem Transparent mit der einfachen und klaren Losung von DKP und SDAJ: "Wo Faschisten marschieren, ist Widerstand Pflicht" Dazu hatten sich hier an diesem Ort ca. 100 Menschen zu einer Sitzblockade formiert. Sie war so sitzfest, dass der Zug der Nazis gestoppt wurde und umgelenkt werden musste. Ich bin froh, dass ich dabei war und ihnen zusammen mit anderen das Transparent entgegen gehalten habe: Widerstand ist - wo Nazis marschieren - politische, linke, marxistische, autonome und auch verfassungsmäßige Pflicht! Es war kein vollständiger Sieg, aber einer, der ihnen weh getan und uns gestärkt hat.

Die Stadt hatte den Atem angehalten und war glücklich, dass "nichts passiert" war. Allseits wurde die Tat gelobt, die guten Bürger atmeten wieder durch, der Polizeipräsident war erleichtert und klopfte sich auf die Schulter. So blieb es die folgenden Wochen während der Dauer der Ausstellung: Wir gemeinsam waren und blieben aktiv gegen die Nazis, die Bourgeoisie schaute von weitem zu, klammheimlich wurde uns Beifall gespendet.

Ein halbes Jahr später aber sieht die Dortmunder Staatsanwaltschaft die Zeit für gekommen, einzelne Aktive vor Gericht zu zerren. Das sieht unsystematisch aus und so, als hätten Staatsschutz und Ermittlungsbehörde in den Ereignissen herum gestochert, gelangweilt Kilometer Filmbänder vorwärts und rückwärts laufen lassen und Tausende Fotos hin- und hergedreht. Gefunden haben sie "Rädelsführer", die keine waren, beschuldigt haben sie Menschen, die nicht anwesend waren, und herausgeholt haben sie Jugendliche, die dick wattierte Polizisten im Gedrängel berührt oder sie verbal beleidigt haben sollen. Körperlich oder seelisch beschädigte Beamte waren allerdings damals auf keiner Pressekonferenz vorgeführt worden.

Der erste Prozess vor dem Dortmunder Amtsgericht hat stattgefunden - ein "Rädelsführer" der Sitzblockade wurde gefunden und beschuldigt, Martin Budich aus Bochum. Er hatte eine Demonstration gegen den Aufmarsch der Nazis im Westviertel angemeldet, die ihm verboten worden war. Ersatzweise hatte er sich sehr friedlich zu den 100 Blockierern gesetzt - schwups war er zum Rädelsführer ernannt. Trotz der Haltlosigkeit der Vorwürfe wurde das Verfahren gegen ihn eröffnet, Ihr kennt das Ergebnis - das Verfahren wurde eingestellt. Viele von Euch waren dabei, der Saal im Gericht war überfüllt, Martin Budich sagte, er sei froh, bei einer so richtigen Sache dabei gewesen zu sein und er wäre gerne ein Rädelsführer in ihr gewesen ... Grund für die Einstellung des Verfahrens war, dass die Beteiligung an der Blockade selbst als nicht verfolgenswürdig eingestuft wurde, Rädelsführerschaft hin oder her.

Der zweite Prozess vor dem Dortmunder Amtsgericht wird in wenigen Tagen, am kommenden Donnerstag stattfinden, wieder ist ein "Rädelsführer" gefunden und beschuldigt worden. Der Beschuldigte ist ein anderer, die Sache ist die gleiche - man sollte also annehmen, dass das Verfahren gar nicht erst eröffnet wird. Bisher allerdings steht der Termin noch: 13. Mai um 12.00 Uhr im Dortmunder Amtsgericht im Raum 702. Kommt und sorgt mit dafür, dass der Raum wieder überfüllt ist. Kommt mindestens eine halbe Stunde vorher - bei Andrang ist das Sicherheitssystem an der Besucherschleuse völlig überlastet.

Der dritte Prozess in dieser Sache - gegen mich - ist noch nicht angesetzt. Zu meinem Kummer bin ich nicht einmal als ein "Rädelsführer" eingeordnet worden, sondern nur ganz einfach als einer von uns 100 Blockierern und Blockiererinnen. Das riecht nach Einstellung.

Die Staatsanwaltschaft hatte großzügig auf das Ermitteln in - wie sie sagte -mehr als 50 weiteren Fällen verzichtet. Warum aber wurden diese drei herausgesucht, wer hat dabei welche Strategie verfolgt? Wir wollen das hier nicht zu Ende diskutieren, aber wir gehen gewiss nicht fehl in der Annahme, dass es darum geht, Verunsicherung in die Reihen der Antifaschisten und Antifaschistinnen zu tragen, sie auseinander dividieren zu wollen und eine latente Bedrohung für jede Widerständigkeit gegen Rechts auszusprechen. Wir werden das gemeinsam aushalten und uns im Kampf gegen die Nazis nicht beirren lassen.

Neben diesen Verfahren im Zusammenhang mit der Blockade gibt es eine immer noch nicht bekannte Zahl von Verfahren gegen ebenfalls einzeln herausgegriffene Jugendliche vor dem Amtsgericht oder im Jugendgerichtsverfahren. Sie beziehen sich auf andere Proteste und Widerstände gegen die Nazis in den Wochen der Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht ...". Sie haben behauptete Beleidigungen oder Rempeleien mit dickwattiert uniformierten und bewaffneten Beamten zum Gegenstand. Das klingt angesichts der politischen Dimension der Auseinandersetzung mit den Nazis absurd und eine Verfolgung dieser Jugendlichen ist ebenso unangemessen wie skandalös. Hier sollen junge Menschen kriminalisiert und früh entmutigt werden, die ihr Recht auf politische Meinung wahrgenommen haben. Dies muss zurückgewiesen werden.

Ich rufe dazu auf, alle Verfahren im Kontext der politisch und rechtlich zweifellos gerechtfertigten Aktivitäten gegen die in Dortmund anlässlich der Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht ..." aufmarschierenden Nazis sofort und bedingungslos einzustellen.

Es bleibt dabei: Wo Faschisten marschieren, ist Widerstand Pflicht!

Die Rede von Said vor dem Neonazi-Laden

Wir haben uns am heutigen Tag hier vor dem Laden versammelt, um gemeinsam möglichst grossen Druck und Öffentlichkeit gegenüber dem noch unbehelligten Nazi-Laden auszuüben. Vorab gehe ich auf das optische Bild des Ladens ein und damit verbunden die Symbole, Codes und den Lifestyle der Nazis.

Mit den Zahlencodes werden strafrechtlich relevante Begriffe, Grußformeln oder Organisationszeichen verschlüsselt. Vielen ist der Zahlencode "88" schon bekannt. Die Zahl wird in der Neo-Nazi Szene als Code für den achten Buchstaben im Alphabet benutzt. Also"88" = Heil Hitler. Genauso ist es mit der "18" = Adolf Hitler. Die Zahlenkombination findet sich beispielsweise in dem Namen der militanten Organisation "Combat 18 " und der Band Sturm 18. Seit dem Verbot der Organisation "Blood&Honour" im September 2000 wird die Zahl 28 als Synonym für B&H verwendet. Das waren die drei am häufigsten auffallenden Zahlencodes. Es gibt noch etliche solcher Zahlencodes.

Bei ihren Symbolen haben sie es trotz Strafrechtlichkeit genauso einfach. Zum Beispiel das Keltenkreuz. Ein runder Kreis mit einem Kreuz drüber. Dient in der rechtsextremen Szene weltweit als Symbol für die Vormachtstellung der weißen Rasse und gilt als White Power Zeichen. Die Reichskriegsfahne, die man sicherlich auch in diesem Laden erhalten kann, existiert seit 1867 in verschiedenen Darstellungsformen. Beliebt unter den Nazis ist die ursprüngliche Variante mit schwarzem Kreuz, in dessen Mitte ein Kreis mit Reichsadler sowie in der linken oberen Ecke das Eiserne Kreuz auf schwarz-weiß-rotem Hintergrund abgebildet sind. Die Reichskriegsfahne ist eines der meist verwendeten Symbole in der Neo-Nazi Szene. Sie können in der Öffentlichkeit damit rum stolzieren und es kommt vielleicht vereinzelt mal zu polizeilichen Eingriffen. Auch hier gibt es etliche Symbole mit heidnisch/germanischen oder nationalsozialistischem Bezug.

Kommen wir zu den Bekleidungsmarken, die man hier in diesem Laden wie auch in anderen erhalten kann. "Ben Sherman" Der Modeschöpfer Ben Sherman galt in den 60er Jahren als King der Londoner Kulturmeile Carnaby Street. Er war eine Kultfigur der swinging-sixties und zu Beginn der 60er wurde er zum Gott der Mods, der englischen Jugendbewegung dieser Zeit. Seine typischen Hemden wurden und werden auch ursprünglich von der klassenbewussten Skinhead-Bewegung getragen. Ben Sherman gilt als traditionelle Skinhead-Marke und hat keinerlei politische Hintergründe und Aussagen. "Lonsdale" - der Legende nach war Lonsdale ein englischer Arbeitersportverein, dem in den 60er Jahren viele Skinheads angehört haben sollen. Heute trägt eine Bekleidungsmarke diesen Namen, deren Popularität bei den Neo-Nazis sich schwachsinniger Weise auf die darin enthaltenen Buchstaben NSDA bezieht. Fehlschlag Nr.2. Lonsdale unterstützt antirassistische Kulturinitiativen.

"Consdaple" - die Marke ist bei Neo-Nazis aufgrund der im Wort enthaltenen Buchstabenkombination NSDAP äußerst beliebt. Die von Neo-Nazis entworfene Consdaple Bekleidung wird nur in Neo-Nazi Läden verkauft. Der Betreiber des rechtsextremen Patria-Versandes aus Landshut brachte diese Marke auf den Markt, nachdem Lonsdale seinen Liefervertrag kündigte.

"Fred Perry" - der aus einfachen Verhältnissen stammende Tennisspieler Fred Perry, der als Erster das Tennisturnier von Wimbledon dreimal hintereinander gewann, avancierte zur Kultfigur der Arbeiterklasse. Der Lorbeerkranz dient als Symbol der Sieger. Von Neo-Nazis wird diese Marke oft in Unkenntnis dessen getragen, dass Fred Perry jüdischen Glaubens war. Fehlschlag Nr.3

"Troublemaker" Der Markenname bedeutet Krawallmacher. Vertrieben wird Troublemaker auch über neonazistische Versände und Läden. "Pit Bull" - benannt nach einer als aggressiv geltenden Hunderasse, bietet die Bekleidungsmarke aus Frankfurt am Main dem Rocker- und Hooligan-Milieu seine Aufmerksamkeit. Pitbull ist auch über neonazistische Versände erhältlich.

Das ganze Versteckspiel mit den Symbolen, Codes und dem Lifestyle ist zwar lächerlich, aber gut strukturiert und organisiert. Wie gefährlich sich das besonders auf Jugendliche auswirkt ist fast niemandem bewusst. Doch genauso strukturiert ist es mit der Musik in der Nazi-Szene.

Eine von vielen Rechts-Rock Bands ist Oidoxie, sie locken und missbrauchen die Gefühle der Menschen demagogisch und profitieren dabei auch noch! Wie gefährlich ihr Konzept dabei ist, ist auch fast niemandem bewusst. Das Gefühl nach Zugehörigkeit wird dem Menschen ethnisch begründet und nicht menschlich. Aber wenn der Staat und die Polizei lieber die Nazi-Strukturen unbehelligt lassen möchten und sich lieber daran aufgeilen, jugendliche Punker, denen sie nicht mal etwas an Freizeitmöglichkeiten bieten können, von dem einen Park in den anderen zu hetzen, ist es normal, dass es zu Übergriffen kommt. Wie z.B in der Nacht des 30. auf den 31 März, wo ein Punkermädel humpelnd auf dem Heimweg von drei Neo-Nazis mit dem Spruch "Eine Zecke und behindert dazu auch noch, doppelter Grund zu vergasen" angehalten und übelst verprügelt wurde, so dass sie einen Wadenbeinbruch und einen Rippenbruch erleiden musste.

Die Vertreibung muss aufhören und der Nazi-Laden muss weg!

Wir akzeptieren nicht, dass Neo-Nazis ihre Propaganda ungestraft vertreiben können. Dieser Nazi-Laden dient einerseits der Köderung von Nachwuchs für die rechte Szene, andererseits der Finanzierung von rechten Umtrieben. Diese Einnahmequelle für die organisierten Neo-Nazis darf nicht weiterbestehen! Sie muss mit allen Möglichkeiten bekämpft werden. Faschistische und rassistische Strukturen müssen aufgedeckt und öffentlich gemacht werden. Fangen wir hier beim "Buy or Die" an!!!!

In diesem Sinn: Bye Bye "Buy or Die"!