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Nazis raus aus dem Internet

 

15.04.04

„Über den Wert der Bekanntgabe von nicht bekannten Meldungen zu Ostern“

Ostermarsch-Rede von Ulrich Sander, Journalist, Landessprecher der VVN-BdA in Dortmund-Marten am Ostermontag

Im Folgenden dokumentieren wir die Ostermarsch-Rede von Ulrich Sander, Journalist, Landessprecher der VVN-BdA auf dem Ostermarsch Rhein-Ruhr in Dortmund-Marten, Ostermontag, 12.04.04, mittags

Anfang Dezember haben Justiz und Staatsschutz die Daten der VVN-BdA und meine eigenen Computerunterlagen beschlagnahmt. Wir hatten Verbrecher der Wehrmacht aus der Gebirgstruppe angezeigt. Leute, die auch jetzt wieder nach Kriegseinsätzen der Bundeswehr rufen. Die Justiz reagierte nicht mit der Verfolgung der Täter, sondern mit der Verfolgung unserer Organisation.

Allen, die mit uns Solidarität geübt haben, danke ich heute. Ich wünsche: Frohe Ostern.

Der Ostermarsch findet diesmal starke Beachtung in den Medien. Dafür ist zu danken. Welche politischen Inhalte unser Marsch vertritt, wurde und wird ja meist nicht gesagt.

Kluge Leute haben das Demonstrationsrecht als die Pressefreiheit der kleinen Leute bezeichnet. Wer keinen Sender und keine Druckmaschinen hat, der muß seine Botschaft auf der Straße verkünden. Manchmal gelingt es dann auch, diese Botschaft von der Straße in die Rotationsmaschinen und Sender hineinzubekommen. Ich möchte einige nicht veröffentlichte Meldungen veröffentlichen.

  1. Die EU-Verfassung hat nun wieder Chancen, bald angenommen zu werden, sagt man uns, nachdem es in Spanien eine Wende gab. Daß die EU-Verfassung eine Verfassung ist, die auf Krieg und Rüstung gerichtet ist, sagen wir Ostermarschierer. In den Medien erfährt man davon so gut wie nichts. Wir verlangen eine Änderung des Entwurfs, bevor die Verfassung angenommen wird. Wir wollen eine breite Diskussion in der Öffentlichkeit anstoßen.
  2. Im Bundestag hat kürzlich die PDS-Bundestagsabgeordnete Petra Pau „grundsätzliche Kritik an der zunehmenden Militarisierung der Politik“ geübt und hinzugefügt: „In der künftigen EU-Verfassung wurde sie sogar als Pflicht festgeschrieben.“ Der Abgeordnete und Minister Josef Fischer von den Grünen rief an dieser Stelle laut Protokoll aus: „Genau so ist es.“ Der Minister sieht Rüstung und Krieg als Pflicht Europas. Europa wird zur Krieg führenden Macht, die immer mehr Geld für Rüstung ausgibt statt für Entwicklung. Das wäre doch eine wichtige Meldung gewesen. Sie wurde uns nicht mitgeteilt. Ich möchte es hier nachholen. Und ich möchte Protest dagegen anmelden. Ich möchte Protest dagegen anmelden im Namen der 18.000 Kleinkinder unter fünf Jahren, die täglich weltweit verhungern. 6,6 Millionen im Jahr. Die Deutsche Welthungerhilfe berechnet 300 Euro pro Jahr und Kind (am Beispiel Südindiens), um diese Kinder zu retten. Das heißt, sie zu ernähren, medizinisch und dann auch schulisch zu versorgen: Für zwei Milliarden Euro im Jahr – acht Prozent des deutschen Rüstungsetats - könnten alle vom Hungertod bedrohten Kinder gerettet werden.
  3. Die nächste nicht veröffentlichte Meldung berührt die Frage: Was für Soldaten und vor allem Offiziere haben wir, die diese Politik verwirklichen und die Kriege führen? Neue, noch nicht veröffentlichte Daten bestätigen den Verdacht, dass Offiziersstudenten - die künftige Führungselite der Bundeswehr – in letzter Zeit noch ein Stück weiter nach rechts gerückt sind. Dazu gehören nationalistische und fremdenfeindliche Positionen. Sie bekennen sich zur Abwehr von Fremden, zum Ziel "Abwehr von kultureller Überfremdung". Die Studie, die ich in einer Bundeswehrpublikation fand, besagt: Die Einstellungen dieser künftigen Truppenführer tendieren zum rechten Rand. Angesichts der Umorientierung der Bundeswehr zur "Landesverteidigung am Hindukusch" und der steten Vermehrung der Auslandseinsätze seit 1993 ist das ein Befund, der in der Bundeswehrführung die Alarmglocken klingeln lassen sollte. Die Glocke klingelt aber nicht. Die Rechten sind erwünscht in der Truppe. Sie sind kriegsbereit wie 1914 und 1939. Und mit diesen Leute will Minister Fischer seine kriegerische Politik machen.
  4. Gab es keine Warnungen vor dem 11. September 2001? Zu dieser Frage meine nächste nicht veröffentlichte Meldung. Die Regierung Bush behauptet, es habe keine Warnungen geben. Dabei standen die Internetseiten der Rechtsextremisten der USA wie auch der BRD voll von unverhohlenen Aufforderungen und Plänen, sich mit Flugzeugen auf das Pentagon und andere wichtige Gebäude zu stürzen. Besonders jene rechten Kreise, die 1995 das Attentat von Oklahoma be­gingen, dem 168 Menschen zum Opfer fielen, warben für religiöses „Märtyrertum“ und für Selbstmordtäter. Es konnte sogar auf deutschen Internetseiten der Nazis nachgelesen werden, wie Rechts­extremisten aus den USA sich auf den Krieg gegen die „Zionisten“ vorbereiten und wie sie quasi-religiösen Wahn für ihre mörderischen Pläne nutzen. Doch niemand, der derartigen Terror ankündigte und pries, wurde bisher bestraft. Es wurden die Warnungen in den Wind geschlagen. Hat da jemand den 11. September gebraucht, um seinen göttlichen Auftrag, wie Bush es nennt, im Kampf gegen das Böse zu erfüllen? Um seinen Kreuzzug zu führen, dessen Schrecken wir nun täglich im Fernsehen erleben?
  5. Und so komme ich zur unbekannten Meldung Nr. 5. Es gibt diese Lehre vom kriegerischen Kreuzzug auch bei manchen Kirchenführern hierzulande. Ein hoher Bischof sammelt einmal im Jahr im Kölner Dom die Soldaten um sich, um ihnen zu versichern: „Einem Gott lobenden Soldaten kann man guten Gewissens Verantwortung über Leben und Tod anderer übertragen.“ In der betenden Hand sei das Gewehr vor Missbrauch sicher. Nie zurückgenommen wurde jenes Gebetbuch für Soldaten, in dem die deut­sche katholische Kirche wenige Tage vor Beginn des zweiten Weltkrieges 1939 den Soldaten einschärfte: „An der Front ist mein Platz, und wenn es mir noch so schwer fällt. Falle ich dort, was macht das! Sterben müssen wir alle ein­mal, und einen Tod, der ehrenvoller wäre als der auf dem Schlachtfelde in treuer Pflichterfüllung, gibt es nicht.“
  6. Doch ich möchte auch eine gute, aber ebenfalls fast unbekannte Meldung verbreiten. Voriges Jahr gab es hier in Nordrhein-Westfalen einen religiösen Weltfriedens-Gipfel, den ich – obwohl Atheist – beachtlich fand. Es war im September 2003 im Bistum Aachen. Die katholische Laiengemeinschaft Sant’Egidio, die ihr Weltfriedensgebet und ihren Friedensgipfel mit den Vertretern vieler Religionen beging, hat dabei gemeinsam mit allen anwesenden Religionsvertretern, mit Juden, Muslimen, Christen, erklärt und einen entsprechenden Appell unterzeichnet, der lautet: „Niemals können die Religionen Hass und Gewalt rechtfertigen. .... Zu denen, die immer noch töten, Terrorismus säen und im Namen Gottes Krieg führen, sagen wir ..: Tötet nicht! Die Gewalt ist eine Niederlage für alle!“ Der Appell erinnert an die Millionen von Armen, die ohne medizinische Versorgung, ohne Wasser und ohne Menschenrechte leben. Wer Terrorismus sät und ausübt, dem sagt der Appell der Gläubigen aller Religionen: „Haltet ein!“

Liebe Freundinnen und Freunde!

Ich gestehe, ich habe mittlerweile Angst vor Religionen. Diese Angst habe ich früher nicht gekannt. Ich würde daher eine UNO-Konvention der Religionen begrüßen. Damit könnten diese sich selbst disziplinieren. Und sie könnten uns die Angst vor ihnen nehmen. Man könnte dort eine Position erarbeiten wie: Wir sind für die völlige Religionsfreiheit, mit einer Ausnahme: Es darf nicht behauptet werden, wer diesen oder jenen „heiligen“ Krieg führt und darin fällt oder als Märtyrer und Selbstmörder sich opfert, geht dafür ins Paradies. Ein solcher Irrglaube ist eine Instrumentalisierung der Religion zur Massenvernichtungswaffe.

Deutsche führten den Krieg und trugen das Koppelschloss „Gott mit uns“. Ist mit der Anrufung Gottes alles erlaubt? Nein. Ich halte diese Art von Missbrauch der Religiosität für völkerrechtswidrig, verbrecherisch wie so manche Rede und Handlung von Bush und von Islamisten und auch von Kardinal Meisner in Köln.

Die Meldung vom vorigen Jahr aus Aachen macht mir Mut. Sie ist Euch vermutlich nicht bekannt gewesen. Ich wollte sie hier mitteilen. In ihrem Sinne möchte ich sagen: Frohe friedliche Ostern.