03.02.04
"Wir wollen diese Eliten nie wieder an der Spitze sehen!"
Rede von Ulrich Sander
(VVN-BdA NRW) vor dem Westfälischen Industrieclub Dortmund aus
Anlaß des Jahrestages der Machtübergabe an die Nazis am 30.1.1933
Antifaschistische Mahnwachen finden in diesen Tagen, da sich wichtige Daten aus den Anfangs- und Endphasen des Naziregimes jähren, in vielen Städten an Orten der Erinnerung und Mahnung sowie Warnung statt. Warnung auch vor denen, die Hitler halfen, an die Macht zu kommen, und die von ihm profitierten. Deshalb stehen wir hier am Westfälischen Industrieclub.
Wir könnten auch in Hörde an der Hermannstraße der Mittäterschaft der Stahlindustrie gedenken und zwar dort, wo im April 1945 60 Jüdinnen und Zwangsarbeiter aus dem Betrieb zur Erschießung in die Bittermark geführt wurden. Wir könnten auch am Schwanenwall 4 eine Mahnwache machen, wo der Sitz der NSDAP war und der Gauleiter Albert Hoffmann saß, der als Nazibonze so reich wurde, dass sein Sohn Bolko Hoffmann noch immer als Erbe Geld genug hat, um für seine Pro-DM-Partei in großen Zeitungsanzeigen zu werben und jetzt mit Herrn Schill den Start einer neuen Rechtspartei zu wagen.
Nun, wenden wir uns dem Westfälischen Industrieklub in Dortmund zu. Dieser Klub, der sich früher Ruhrlade nannte, war eine jener Stätten, an denen 1932/33 die Würfel zugunsten jenes "Dritten Reiches" fielen, das nicht möglich werden konnte ohne die Zustimmung der Eliten, vor allem der ökonomischen. In Dortmund trug der Sitz des Westfälischen Industrieklubs lange den Namen "Albert Vögler Haus". Wir Antifaschisten erinnern auch in diesem Jahr an das Treffen der Wegbereiter Hitlers Franz von Papen (Ex-Kanzler und Zentrumspolitiker), Albert Vögler (Vereinigte Stahlwerke) und Fritz Springorum (Hoesch) im Januar 1933 in Dortmund. Diese und andere Herren der geheimen diktatorischen "Ruhrlade" beschlossen, die Hitler-Diktatur mit zu etablieren und zu finanzieren. Papen war gerade vom Treffen mit NS-Führer Hitler und Bankier von Schroeder in Köln gekommen, wo die Entscheidung zugunsten der Kanzlerschaft Hitlers fiel. Am 30. Januar 1933 wurde dann der Führer der Nazipartei an die Macht geschoben. Seinem Kabinett gehörten nur drei Nazis, ansonsten nur Herren aus den konservativen und militärischen Eliten an.
In der Gedenkhalle Oberhausen steht der Satz "Faschismus kommt nicht über Nacht, er wird vom Kapital gemacht". Wir wollen diesen Satz durchaus relativieren, und wir stellen zu recht fest, dass der Faschismus an der Macht auch andere als ökonomischen Wurzeln hat und dass der Kapitalismus nicht zwangsläufig im Faschismus einmünden muß, sondern verhindert werden kann durch den demokratischen massenhaften Protest.
Deshalb stehen wir heute hier. Wir erinnern an die Komplizenschaft von maßgeblichen Teilen des Konservatismus und der Industrie wie auch der Banken und der Großagrarier mit Hitler, indem wir vor dem ehemaligen Vögler-Haus am Alten Markt diese Zwischenkundgebung abhalten.
Spätestens in diesem Jahr böte sich eigentlich eine weitere Zwischenkundgebung an, und zwar vor dem Haus Schwanenwall 23. Dort sitzt der nordrhein-westfälische Bund der Selbständigen. Der zweite Vorsitzende dieses Verbandes der mittelständischen Kapitalisten heißt Martin Hohmann, bis vor kurzem Mitglied der CDU-Bundestagsfraktion. Er hatte am 3. Oktober in seiner antisemitischen Rede angemerkt, dass man die Juden "mit einiger Berechtigung" als "Tätervolk" bezeichnen könnte. Hohmann sagte über die Neonazibanden, die unsere Städte mit Aufmärschen belästigen, sie versammelten sich unter den "Symbolen des Guten". CSU-Chef Edmund Stoiber distanzierte sich zwar von Hohmann, unterhielt aber gute Kontakte zu dem Bund der Selbständigen, und er bekam einen Preis der Zeitschrift dieses Bundes, genannt "DS-Magazin", ein Glied in der Kette rechter Publikationen. Und reaktionäre Bundeswehroffiziere gehören zum Umfeld des "Bundes der Selbständigen" im Rahmen der nahestehenden Organisationen "Stimme der Mehrheit" und "Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft".
Heutzutage wird die Rolle der ökonomischen und konservativen Eliten an der Machtübertragung an Hitler gern verschwiegen, gar geleugnet. Der Begriff Elite wird sogar wieder salonfähig. Schon vor seiner Wahl hat Bundeskanzler Schröder (Weihnachten 1996, Hamburger Abendblatt) gesagt, er könne ohne Zustimmung der ökonomischen und kulturellen Eliten zwar Kanzler werden, aber es nicht sein. Und so macht die Regierung heute Politik gegen die kleinen Leute und für die Eliten, vor allem für die Reichen.
Doch 1945 schworen sich die Menschen: Nie wieder. Der Januar 1933 mahnt. Wir wollen diese Eliten nie wieder an der Spitze sehen!
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Gerhard Schröder im Hamburger Abendblatt 27.12.96 (ein Auszug aus dem Interview stand auch am 27.12.96 in der
WR):
"Von der SPD weiß man, dass es auf Bundesebene keine Zusammenarbeit mit der PDS geben wird. Ich selber begründe das auch gar nicht ideologisch, sondern es geht praktisch nicht. Man kann dieses Land rot-grün regieren, weil die Grünen inzwischen eine stinknormale Partei geworden sind. Aber man kann dieses Land nicht in einer Konstellation Rot-Grün plus PDS regieren, weil die ökonomischen und große Teile der kulturellen Elite dieses Landes das nicht mitmachen werden. Und deswegen könnte man in einer solchen Konstellation zwar Kanzler werden, es aber nicht sein. Und diese Erkenntnis verbietet eine Zusammenarbeit mit der PDS. Es geht nicht, und deshalb macht man es nicht."
Die Stadthistoriker von Köln setzten vor einigen Jahren eine Tafel vor das Hause Stadtwaldgürtel 35. Dort heißt es: "Hier, im Haus des Privatbankiers Kurt Freiherr von Schröder, trafen sich am 4. Januar 1933 Adolf Hitler und Franz von Papen, um über eine Regierungsbildung zwischen Nationalsozialisten und Rechtskonservativen zu beraten. In einem Gespräch wurden die Weichen für Hitlers Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 gestellt und die Voraussetzungen für die menschenverachtende Diktatur der Nationalsozialisten geschaffen. Kurt von Schröder unterstützte bereits vor 1933 die Ziele des Nationalsozialismus und organisierte nach 1933 finanzielle Leistungen der deutschen Wirtschaft an die SS."
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