Logo VVN/BdA NRW

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

 

 

 

 

 

 

Nazis raus aus dem Internet

 

03.02.04

Ermittlungsverfahren wegen Holocaustleugnung eingestellt

VVN/BdA NRW protestiert bei Justizminister Wolfgang Gerhards

Die VVN-BdA NRW nimmt nicht ohne Protest hin, daß das Verfahren gegen die Leugnung des Holocaust durch Neonazis anläßlich der Wehrmachtsausstellung im Herbst 2003 in Dortmund von der Justiz eingestellt wurde. Beachten Sie bitte den folgenden Briefwechsel:

Ulrich Sander
Landessprecher der VVN-BdA
Postfach 321, 44388 Dortmund
Büro: Gathe 55 (VVN-BdA) 42107 Wuppertal, 0202 45 06 29 (Tel)
e-mail vvn-bdanrw@freenet.de oder ulrich@sander.lachen.net

den 29. Jan. 2004

Herrn
Wolfgang Gerhards
Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen
Martin Luther Platz 40
40212 Düsseldorf

 

Sehr geehrter Herr Minister!

Hiermit lege ich Beschwerde ein gegen die Auskunft aus der Staatsanwaltschaft Dortmund (Einstellung eines Ermittlungsverfahrens 155 Js 524/03) – siehe Anhang.

Die Staatsanwaltschaft Dortmund weigert sich, gegen die Leugner des Holocausts vorzugehen, die während der Wehrmachtsausstellung im Herbst 2003 in Dortmund Flugblätter verbreiteten, mit denen das Andenken Verstorbener verunglimpft wurde.

Als Holocaust wird der systematische Völkermord insbesondere an den Juden Europas, verübt in Vernichtungslagern und mittels Einsätzen von Wehrmacht und SS in den besetzten Gebieten, angesehen. Der Vernichtungskrieg im Osten war Teil des Holocaust: „Die jüdische Bevölkerung sollte ermordet, nicht-jüdische Zivilisten sollten durch Hunger und Terror dezimiert und zur Zwangsarbeit eingesetzt werden. Dieses verbrecherische Vorgehen ergab sich nicht aus der Eskalation des Kriegsgeschehens, sondern war bereits Bestandteil der Kriegsplanungen.“ (Verbrechen der Wehrmacht – Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941-1944, Begleitbroschüre zur Ausstellung, Seite 3)

Es gibt heute keinen ernstzunehmenden Wissenschaftler, der diese Funktion des Vernichtungskrieges im Rahmen des Völkermordes an den europäischen Juden und an anderen Völkern leugnet. Auch jene Historiker, die Kritik an der Wehrmachtsausstellung wegen angeblich „pauschaler Schuldzuweisungen“ üben, sprechen davon, dass mindestens fünf Prozent der Wehrmachtsangehörigen beim Krieg im Osten, das heißt mindestens eine halbe Million Soldaten, in die Massemordaktionen einbezogen waren (Christian Hartmann vom Institut für Zeitgeschichte, München, lt. Frankfurter Rundschau vom 27. und 28. Januar 2004). Bei diesen fünf Prozent sind nicht mitgerechnet jene Soldaten, die unabhängig von ihrem Willen an den verbrecherischen Kriegshandlungen der Führung, wie Ausrottung durch Verhungern und Sklavenarbeit für Millionen Menschen sowie Deportationen, beteiligt waren. Mitgerechnet sind jene, die individuell und durchaus eigenverantwortlich handelten.

Bei einer so großen Zahl von Teilnehmern am Holocaust verbieten sich Formulierungen wie, die deutschen Soldaten hätten sich nur zur Wehr gesetzt gegen Angreifer und zwar während des gesamten Krieges.

Mit solchen Darstellungen würde aus dem Angriffskrieg ein Verteidigungskrieg, aus dem Vernichtungskrieg eine konventionelle Kriegshandlung, - und aus dem Holocaust, würde so ein Massenselbstmord unter denen, die Deutschland angegriffen hätten. 

Eine solche zynische Leugnung des Holocaust wird doch nicht dadurch zu einer „freien Meinungsäußerung“, weil nicht ausdrücklich der Völkermord benannt wird. „Sechs Jahre setzten sich unsere Großväter tapfer zur Wehr“, diese Formulierung stellt ein Verunglimpfung von Millionen Opfern des NS-Regimes dar. Es gehört zu den Errungenschaften unseres Rechtsstaates, dass eine solche Verunglimpfung unter Strafe gestellt ist.

Ich fordere Sie, sehr geehrter Herr Justizminister auf, die unhaltbare Entscheidung der Dortmunder Staatsanwaltschaft aufzuheben und zur neuen Bewertung – und dann zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen die Urheber des genannten Flugblattes – an eine höhere Instanz zu geben.

Mit freundlichen Grüßen

- Ulrich Sander -

Landessprecher der VVN-BdA NRW

- Abschrift Antwort Staatsanwaltschaft -

Staatsanwaltschaft Dortmund
Postfach 102942 
44029 Dortmund 
Gerichtsplatz 1
44135 Dortmund
E-Mail: Poststelle@sta-dortmund.nrw.de
Telefon: 0231 926-0
Telefax: 0231 926-25090

 

Datum: 06. 01. 04

 

Geschäfts-Nr. 155 Js 524/03
(Bitte bei allen Schreiben angeben)

 

Ermittlungsverfahren gegen ... und ... bzw. gegen Unbekannt wegen Volksverhetzung u.a.

 

Herrn
Ulrich Sander
Postfach 321
44388 Dortmund

 

Ihre Anzeige vom 08. 10. 2003

 

Sehr geehrter Herr Sander,

als Verteiler der Flugblätter der DVU bzw. des Flugblattes „Liebe Schüler“ wurden u.a. die oben genannten Beschuldigten ermittelt.

Das Verfahren habe ich gemäß § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung eingestellt, da eine inhaltliche Sichtung der beanstandeten Flugblätter keine Hinweise auf strafrechtliche Relevanz ergab. Insbesondere hat eine Auswertung der Flugblätter ergeben, dass kein Verstoß gegen § 130 Abs. 2 bzw. Abs. 3 StGB vorliegt. In dem Flugblatt „Liebe Schüler“ des Arbeitskreises für Geschichte und Politik werden die in der oben genannten Vorschrift thematisierten nationalsozialistischen Gewaltverbrechen nicht erwähnt. Eine Leugnung dieser nationalsozialistischen Gewalttaten kann auch nicht in die von Ihnen benannten Textpassagen wie: „Fast sechs Jahre lang standen sie einem riesigen Feindheer gegenüber, dessen Antreiber nichts anderes im Sinn hatten, als die Zerstörung unseres Heimatlandes. Sechs Jahre setzten sich unsere Großväter tapfer zur Wehr.“ hineingelesen werden. Das Flugblatt befasst sich allein mit der Rolle der Wehrmachtssoldaten im zweiten Weltkrieg und bewertet in diesem Zusammenhang auch die Rolle der alliierten Streitkräfte. Allein der Umstand, dass diese Rolle möglicherweise geschichtsverfälschend dargestellt wird, begründet noch keine Strafbarkeit. Es handelt sich insofern vielmehr allein um eine Bewertung des Verfassers des Flugblattes, welche im Rahmen des politischen Meinungskampfes hinzunehmen ist.

Hochachtungsvoll

gez. (Tersteegen)

Staatsanwältin

 

- Abschrift Anzeige -

Ulrich Sander
Landessprecher der VVN-BdA
Postfach 321, 44388 Dortmund
Büro: Gathe 55 (VVN-BdA) 42107 Wuppertal, 0202 45 06 29 (Tel)
e-mail vvn-bdanrw@freenet.de oder ulrich@sander.lachen.net

 

den 8. Okt. 2003



An die

Polizei Dortmund <posteingang@polizei-dortmund.de>

Anzeige wegen Verbreitung der Auschwitzlüge

Im Namen und Auftrag der Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer gemeinsamen Beratung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes VVN-BdA und des Bündnisses Dortmund gegen Rechts am gestrigen Abend

erstatte ich Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Verbreitung der Auschwitzlüge.

Die Anzeige richtet sich gegen die Flugblattverteiler der DVU und anderer Neonazigruppen, die gegen das Verbot der Auschwitzlüge verstoßen. Der Holocaust an den sechs Millionen europäischen Juden und an Millionen Slawen und Roma und Sintis wurde in den Vernichtungslagern wie Auschwitz, Maidanek, Treblinka, Sobibor vollzogen, ferner millionenfach bei Massenmordaktionen wie Babi Jar u.a. in der Sowjetunion. Davon handelt die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944, Dimensionen des Vernichtungskrieges", die gegenwärtig in Dortmund, Hansastraße, Museum, gezeigt wird.

Die Flugblätter der Neonazis, verteilt vor allem an Schüler, die die Wehrmachtsausstellung besuchen wollen, enthalten die verbotene Auschwitzlüge mit folgenden Worten: "Fast sechs Jahre lang standen sie (die deutschen Militärs im Vernichtungskrieg - US) einem riesigen Feindheer gegenüber, dessen Antreiber nichts anderes im Sinn hatten, als die Zerstörung unseres Heimatlandes. Sechs Jahre setzten sich unsere Großväter tapfer zur Wehr."

Der Holocaust wird geleugnet und zur berechtigten Abwehrmaßnahme erklärt. Wenn das Verbot der Auschwitzlüge einen Sinn haben soll, müssen Polizei und Justiz jetzt handeln.

Ulrich Sander

Landessprecher der VVN-BdA, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten ( PF 321, 44388 Dortmund, ulrich@sander.lachen.net