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aus: Antifaschistische Nachrichten 19/Oktober 2008

Dozent auf Abwegen

Linnich/Kreis Düren. Der Historiker Dr. Mario Kandil wirkte bislang als Dozent u.a. an den Volkshochschulen in Düren und Aachen. Dort hielt er Vorträge über den "Abstieg der bundesdeutschen Parteiendemokratie" oder "Die Affäre Guillaume - das Ende der Ära Brandt". Im Jülicher "Hotel Kaiserhof" referierte Kandil beim Förderverein "Festung Zitadelle Jülich" über die Spekulationen um die Todesursache Napoleons und auch bei der "Preußischen Tafelrunde" der "Landsmannschaft Ostpreußen" in Köln war Kandil schon eingeladen. Ende August sollte der Linnicher auf einer "Zeitgespräche"-Tagung der einschlägig rechten Verlage "Druffel & Vowinckel" als Redner zum Thema "Der Vertrag von Brest-Litowsk - Zwischenspiel oder neue Ordnung für Osteuropa ?" auftreten. Das "8.Erlebnis-Wochenende Geschichte", das die geschichtsrevisionistische Zeitschrift "Deutsche Geschichte" mit Sitz im bayrischen Inning ausrichtet, fiel aufgrund der Intervention von AntifaschistInnen erst einmal aus. Bereits im vergangenen Jahr hatte Kandil auf dem "7.Erlebnis-Wochenende" des Verlags in Potsdam über das "Goldene Zeitalter der Kunst" im kaiserlichen Deutschland gesprochen. In einem Bericht über die Tagung auf der Webseite von Verlagschef Gert Sudholt, ehemals Vorsitzender der neofaschistischen "Gesellschaft für freie Publizistik" (GfP), wird Kandil als "ständiger Mitarbeiter" der Zeitschrift "Deutsche Geschichte" bezeichnet. Dort finden sich Kandils Texte neben Beiträgen von Andreas Molau, Pressesprecher der NPD-Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern und amtierender Vorsitzender der "GfP" und Rudolf von Ribbentrop, dem Sohn des früheren Nazi-Reichsaußenministers, der der Zeitschrift "Der Freiwillige" entnommen ist, die von ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS gegründet wurde. Von der Dürener Antifa mit diesen Informationen konfrontiert, erklärte der Dürener VHS-Leiter Horst Bertram am vergangenen Dienstag: "Wir werden diesen Vorwürfen nachgehen und den Historiker bis zur Klärung des Sachverhalts nicht mehr als Referenten einsetzen" (hma).

 

DVU-Gedenken in Esens

Esens. Erneut mobilisiert der DVU-Kreisverband Ostfriesland zu einem "stillen Gedenken mit Kranzniederlegung" am 27.9. auf dem Friedhof der Stadt Esens. Anlaß ist der Jahrestag des "Terror-Bombenangriffs", so die DVU, auf Esens im September 1943 bei dem 165 Menschen starben. Treffen will sich die DVU um 10.45 Uhr vor dem Friedhof. Kontaktadresse für den Aufruf, der u.a. in der "Deutschen Nationalzeitung" abgedruckt wurde, ist der langjährige DVU-Aktivist Richard Carls (Saterland). Auch Aktivisten der "Autonomen Nationalisten Ostfriesland" hatten bislang an der Gedenkfeier teilgenommen. Unterdessen mehrt sich die Kritik an der Stadt Esens bezüglich des Umgangs mit dem alljährlichen rechten Treiben. Die Argumentation der Stadt "sei substanzlos, ausgezehrt, defensiv bis zur Gleichgültigkeit, politisch entkernt und rhetorisch schwach", beklagt ein Leserbriefschreiber in der lokalen Zeitung. Auch unter den Urlaubsgästen in der Region macht sich Unmut breit. "Zur Reaktion der Stadtoberen kann ich nur sagen", so ein Gast, "Esens als Nazi-Biotop" ist für uns Urlauber auch nicht mehr sonderlich attraktiv" (hma).

 

Sachs statt Miegel

Heiden. In Heiden bei Borken ist die Agnes-Miegel-Straße in Nelly-Sachs-Straße umbenannt worden. Mitglieder von "Bündnis 90/Die Grünen" hatten eine Initiative von Anwohnern aufgegriffen, die die enge Verstrickung der Dichterin mit dem Naziregime moniert hatten. Als man 1991 die Straße nach Miegel benannt habe, "sei offenbar nicht bekannt gewesen, dass die Dichterin eine bekennende Verehrerin nationalsozialistischen Gedankenguts gewesen sei", so die "Borkener Zeitung". Im Juni stimmten die Vertreter aller Parteien im Gemeinderat der Namensänderung zu. Die neuen Straßenschilder wurden bereits angebracht (hma).

 

Gute 68er - Böse 68er

Berlin. Am 11. und 12.Oktober will die "Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft" (UOKG) im Berliner Rathaus am Alexanderplatz einen Kongreß unter dem Motto "1968 - ein Jahr der Weichenstellung. Freiheitsbestrebungen im Osten - Dogmatismus im Westen?" durchführen. Dabei wollen die Veranstalter "die Differenz zwischen dogmatischen linken Denkkonstruktionen in den Reihen der westlichen Studentenbewegung und dem Streben nach Selbstbestimmtheit und Demokratie im Osten" diskutieren und das Erbe der 68er Bewegung in der heutigen Gesellschaft beleuchten. Zu den Eröffnungsrednern der Konferenz soll u.a. der Botschafter der Tschechischen Republik, Dr. Rudolf Jindrak, gehören. Neben dem Politologen Prof. Dr. Gerd Langguth und dem ehemaligen wissenschaftlicher Leiter des Forschungsverbund SED-Staat, Prof. Dr. Manfred Wilke, soll auf dem von der "Stiftung Aufarbeitung" geförderten Kongreß auch Prof. Dr. Klaus Motschmann als Referent auftreten. Motschmann ist langjähriger Autor der rechten Berliner Wochenzeitung "Junge Freiheit". 1983 fand sich Motschmanns Name unter einem Aufruf "An die Regierenden" wieder, in dem es u.a. heißt: "Wir fordern sie auf, die Ausländer heimzuführen, damit sie ihren Völkern erhalten bleiben, anstatt sie hier zu assimilieren, zu integrieren, zu "germanisieren". Helfen Sie ihnen in ihrer Heimat nach dem Grundsatz: "Maschinen zu den Menschen, nicht aber Menschen zu den Maschinen!". In den 90er Jahren gehörte Motschmann dem "Förderkreis Gerhard Kaindl" an. Der 1992 bei einer gewaltsamen Auseinandersetzung ums Leben gekommene Kaindl war Funktionär der neofaschistischen "Deutschen Liga für Volk und Heimat". Der in Schweden lebende rechte Publizist Ulrich Schacht, ebenfalls Autor in der "Jungen Freiheit", soll an einer Podiumsdiskussion auf dem Kongreß teilnehmen. Als Leserbriefschreiber in der "Jungen Freiheit" tat sich auch Dr. Detlef Gojowy hervor, der zu einem Vortrag "mit Klangbeispielen" erwartet wird. Eine "kritische Analyse" des Erbes der 68er Bewegung in der heutigen Gesellschaft soll die Publizistin Bettina Röhl beisteuern. Die hatte sich in der Vergangenheit als Autorin u.a. in der "politisch unkorrekten" Zeitschrift "Campo de Criptana" und dem "Deutschland-Magazin" der rechtskonservativen "Deutschland-Stiftung" versucht. Der Projektleitung des Kongresses gehört Siegmar Faust an. Der "Kulturbeauftragte" der UOKG war Autor in den verschiedensten einschlägig rechten Publikationen. 1987 war Faust als Referent beim neofaschistischen "Deutschen Kulturwerk Europäischen Geistes" (DKEG) in pfälzischen St. Martin aufgetreten. Faust hatte sich auch mit dafür eingesetzt, das eine ehemalige Aufseherin eines Außenlagers des KZ Ravensbrück 1994 eine beachtliche Entschädigung für ihre "erlittene" Haft in der DDR erhalte hatte (hma).